Ashis Nandy
The Tagore-Einstein Correspondence as an Interrupted Inter-Cultural Dialogue
Die Kontakte zwischen Tagore und Einstein werfen fruchtbare Fragen über die Dialogmöglichkeiten zwischen zwei höchst kreativen Personen auf, die sich um die Überwindung von Barrieren bemühen, die ihrerseits gar nicht so sehr aus der Inkommensurabilität ihrer Kulturen erwuchsen, sondern vor allem von dem europäischen Kolonialismus sowie den Ideen der Aufklärung errichtet worden sind. Der europäische Kolonialismus war dabei vermutlich die kleinere Hürde, weil zumindest aufgeschlossene europäische Wissenschaftler ihn im Grundsatz abgelehnt haben dürften. Das zweite Hindernis war allerdings fast unüberwindbar, denn es dürfte (1) zu der damaligen Zeit noch keine ausgeprägte Sensibilität für die aus dem Erbe der Aufklärung und des Bacon‘schen Wissenschaftsverständnisses folgenden strikten Begrenzungen dessen gegeben haben, was unter einem legitimen und anerkannten Wissen zu verstehen ist, und es dürfte (2) damals noch kein wahrhaft kulturübergreifender ethischer Rahmen bestanden haben, der von Europa wie von Indien als verbindlich anerkannt worden wäre; beide Seiten hielten strikt an ihren je eigenen Vorstellungen von einer erstrebenswerten Gesellschaft und dem richtigen Weg dorthin fest.
Ashis Nandy ist Senior Honorary Fellow am Centre for the Study of Developing Societies in New Delhi. Seit mehr als dreißig Jahren arbeitet er zu zwei diametral entgegengesetzten Aspekten der Gesellschaft: Die Schaffenskraft und Kreativität des Menschen auf der einen und seine Destruktivität, vor allem die von den Massen ausgehende, auf der anderen Seite. In seinen aktuellen Studien zu den Genoziden in Südasien geht es ihm nicht nur um die Erforschung der Vernichtungswut der Täter, sondern auch um die Untersuchung des Widerstandes, den einfache Leute der Maschinerie des Massenmordes und der Ideologie des Ethnonationalismus entgegensetzen. Seine Studien haben ihn zur Mitarbeit bei Menschenrechts-, Kulturautonomie- und Umweltbewegungen bewogen. Als Soziologe und klinischer Psychologe widmet sich Nandy auch politischen und kulturwissenschaftlichen Themen, zu denen er ebenfalls ausgiebig publiziert hat. Nandy war Fellow u.a. des Woodrow Wilson International Center sowie am Wissenschaftskolleg zu Berlin und Regent‘s Fellow der University of California/Los Angeles. Zu seinen wichtigen Publikationen zählen: Traditions, Tyranny and Utopias: Essays in the Politics of Awareness (1993); The Illegitimacy of Nationalism: Rabindranath Tagore and the Politics of Self (1994); The Savage Freud and Other Essays on Possible and Retrievable Selves (1995); The Tao of Cricket: On Games of Destiny and the Destiny of Games (2001); Time Warps – The Insistent Politics of Silent and Evasive Pasts (2003); An Ambiguous Journey to the City: The Village and Other Odd Ruins of the Self in the Indian Imagination (2007); The Romance of the State: And the Fate of Dissent in the Tropic (2008); The Intimate Enemy: Loss and Recovery of Self Under Colonialism (2010).