William V. Harris
The Angry Emotions and Historical Explanation
Warum ist es für Historiker von Nutzen, sorgfältig Gefühle zu studieren? Im Gefolge der seit den neunziger Jahren stark zunehmenden Beschäftigung mit diesem Gebiet, ist die Antwort oft unklar geblieben. Geht es einfach darum herauszufinden, wie die Menschen der Vergangenheit waren? Oder geht es – wie manche meinten – darum, einen Unterschied in den vergangenen und gegenwärtigen Begriffen des Selbst aufzuspüren? Beide Ziele scheinen uns gefährlich nah an jene kruden Verallgemeinerungen heranzuführen, die man einst mit der psychologie des peuples, der Völkerpsychologie, verband. Ein anderer Vorschlag aus der letzten Zeit, der einer genaueren Aufmerksamkeit wert ist, ruft dazu auf, nicht Völker, sondern »emotionale Gemeinschaften« zu untersuchen. Dennoch bleibt die Frage, warum wir das tun sollten. Die Antwort, die hier vorgeschlagen wird, ist, dass die historische Untersuchung der Emotionen vor allem deshalb wichtig ist, weil Emotionen eine erklärende Kraft haben. Dazu werden einige Beispiele aus der griechischen und römischen Geschichte untersucht und auch die Grenzen der Erklärungskraft solcher Ansätze erforscht.
William V. Harris wurde an der Universität Oxford promoviert und ist heute William R. Shepherd Professor of History an der Columbia University, New York, und Direktor des Center for the Ancient Mediterranean an der Columbia University. Ausgewählte Veröffentlichungen: War and Imperialism in Republican Rome (1979); Ancient Literacy (1989); The Transformations of Urbs Roma in Late Antiquity (Hg., 1999); Restraining Rage. The Ideology of Anger in Classical Antiquity (2002); Rethinking the Mediterranean (2004); Ancient Alexandria between Egypt and Greece (Mit-Hg. 2005).