Vortrag
Donnerstag, 22.1.2009, 19h

Thomas Hauschild

Professor für Ethnologie und vergleichende Kultursoziologie, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Synkretismus, Fundamentalismus und Gewalt

Gesprächsleitung: Dr. Michi Knecht, Berlin

Textwissenschaftlich fixierte Kulturforschung mündet oft in die Hierarchisierung von kulturellen Prozessen: „Höhenkammtexte“ stehen „oben“, ihnen folgt, einer suggestiven Rhetorik der alten deutschen Volkskunde entsprechend, das „gesunkene Kulturgut“ an der Basis der Gesellschaft. Kulturspezifische „große“ Traditionen, kanonische und dogmatische Texte, gelten dabei als repräsentativ für das Verhalten ganzer Populationen: Hat man sie verstanden, analysiert, dekonstruiert, glaubt man bisweilen, die Kognitionen der „einfachen Menschen“ zu kennen und sie sogar aufklärerisch beeinflussen zu können. Vertreter dieser Form des Kulturalismus mussten in den letzten Jahren oft erleben, dass sie damit zunehmend und wider Willen in eine Allianz mit politischen Polemikern geraten, die z.B. heute den Islam für extremistischen islamistischen Terrorismus verantwortlich machen wollen.
In dem Vortrag sollen anhand ethnologischer Studien zu Synkretismus und Fundamentalismus im Mittelmeerraum Auswege aus der textwissenschaftlichen Problematik sowie aus der Falle politisch-religiöser Zuschreibungen und Rigorismen gezeigt werden.

Thomas Hauschild, geb. 1951, hat Geschichte und Sozialwissenschaften in Bonn studiert. Heute lehrt er an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Er ist Mitherausgeber der Zeitschrift für Kulturwissenschaft. Neueste Publikationen: Ritual und Gewalt. Ethnologische Studien an europäischen und mediterranen Gesellschaften (2008); Magie und Macht in Italien. Über Frauenzauber, Kirche und Politik (2002).