Lecture
Tuesday, Nov 8, 2005, 7 PM

Helga Nowotny

Professorin em., Vorsitzende des European Research Advisory Boards der Europäischen Kommission, Fellow am Wissenschaftszentrum Wien

Neugier als Passion

Die gesellschaftliche Zähmung einer wissenschaftlichen Triebkraft

Gesprächsleitung: Prof. Dr. Hans-Jörg Rheinberger, Berlin

Die Neugier, der Drang, etwas zu erforschen, an eine imaginierte Grenze vorzudrin-gen und sie zu überschreiten, gilt häufig als die notwendige Triebkraft der Wissen-schaft. Gleichzeitig versucht die Gesellschaft diese Passion zu zähmen. Gegenwärtig gibt es drei solcher Versuche: Privatisierung, also durch den Erwerb von Eigentumsrechten darüber zu bestimmen, wohin die Neugier gerichtet werden soll, Demokratisierung, meistens als Versuch abzuwehren oder zu reglementieren, was die Neugier umsetzen darf und soll und was nicht, und – vielleicht überraschend – die ethische Diskussion. Ethik versucht Sicherheitsstandards moralischer Art einzuführen. Dies kommt just im Augenblick, wo wir dabei sind, die Integrität des Körpers (so wie wir sie bisher gekannt haben) aufzulösen und neu zusammen zu setzen. Dies ist mit einer neuen Art von Gefahr verbunden – einer moralischen Gefahr. Die anderen Gefahren, die Bedrohungen physischer Art, wie z.B. die Gefährdung der Umwelt, beherrschen wir zwar nicht wirklich, doch für sie haben wir inzwischen eine Form von pragmatischem Risikomanagement, das zumindest vorgibt, wir könnten die Gefahren in den Griff bekommen. Den moralischen Gefahren, die eine veränderte Wahrnehmung und Sensibilisierung voraussetzen, haben wir jedoch kaum etwas entgegen zu setzen, wenn man vom Rückfall in Sicherheiten fundamentalistischer Art absieht.