Vortrag
Dienstag, 11.11.2008, 19h

Amber Carpenter

Lecturer of Philosophy, University of York; Albert Einstein Fellow, Caputh

Ethics in Flux. Heracliteanism in Greece and India

Gesprächsleitung: Prof. Dr. Adrian Piper, Berlin

„Man kann nicht zweimal in den gleichen Fluß steigen.“ Dieses Sprichwort aus der Feder Heraklits sagt nicht nur etwas über die Beschaffenheit von Flüssen aus, sondern auch über die Realität als Ganzes: Alles ist in ständiger Veränderung begriffen, eine Erfahrung kann nicht zweimal in gleicher Form gemacht werden. Wie bei allen metaphysischen Ansichten scheint die Wahrheit dieser Annahme weit entfernt zu sein vom wirklichen Leben – und noch weiter von moralischen Fragestellungen. Daher kritisierte Platon diese Auffassung auch: Wenn alles ständiger Veränderung unterworfen wäre, so würde Moral – und vielleicht jede evaluierende Haltung – schlichtweg unmöglich, denn für eine ethische Bewertung sind stabile Entitäten unverzichtbar. Spätere Denker aus der europäischen philosophischen Tradition haben bezweifelt, dass Platons Traum von den ewigen Ideen berechtigt ist. Andere haben von vornherein die angenommene Verbindung zwischen Metaphysik und Moral angezweifelt: Moral überlebe ungehindert der Tatsache, dass sich alles andere in ständigem Wandel befände.
Von buddhistischen Philosophen aus Indien erfahren wir jedoch eine insgesamt ganz andere Auseinandersetzung mit dieser Fragestellung. Metaphysisches spielt für diese Philosophen eine ebenso wichtige Rolle wie die Frage nach moralischer Bedeutung. Beide schließen einander nicht aus, mehr noch: Das Anerkennen und Verstehen von Instabilität, die – wie es auch Heraklit formulierte – die Natur der Welt ausmacht, bildet den Weg hin zu einem moralisch richtigen Leben. Damit wäre der Wandel die Vorbedingung von Moral.
Sind diese gegensätzlichen Sichtweisen tatsächlich so weit voneinander entfernt, wie es scheint? Und haben die buddhistischen Philosophen schlichtweg den platonischen Einwand missverstanden? Oder haben sie vielmehr eine plausible Perspektive eröffnet, nach welcher Platons Suche nach dem Unveränderlichen selbst das Hindernis für Moral darstellt?

Veranstaltung in englischer Sprache

Eine Gemeinschaftsveranstaltung mit der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius