Vortrag
Donnerstag, 22.5.2014, 19h

Klaas Voß

Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Hamburger Institut für Sozialforschung

At the Brink of Nuclear War? The Forgotten Able Archer Crisis of 1983

Gesprächsleitung: Dr. Bettina Greiner, Berlin

Im Jahr 1983 zeigte die so genannte »Doomsday Clock«, die von amerikanischen Nuklearexperten als symbolisches Barometer für einen drohenden Atomkrieg eingeführt worden war, drei Minuten vor Mitternacht an. Es war ihr unheilvollster Stand seit 1953. In den 30 Jahren dazwischen war viel passiert – nicht zuletzt die häufig als Paradebeispiel der nuklearen Eskalationsgefahr herangezogene Kubakrise von 1962. Was also machte das Jahr 1983 so gefährlich? Und weshalb ist so vielen Menschen die Kubakrise ein Begriff, während die Stichworte »1983« und »Able Archer« häufig nur Verwunderung auslösen? Able Archer war eine NATO-Kommandostabsübung, die im November 1983 den Übergang von einem konventionellen zu einem Atomkrieg mit der Sowjetunion simulieren sollte. Doch in Moskau war man sich keineswegs sicher, ob es sich wirklich nur um eine Übung handelte – und begann mit Vorbereitungen für den nuklearen Ernstfall. Bis heute streiten Historiker und Zeitzeugen darüber, wie gefährlich diese Tage im November tatsächlich waren. Able Archer blieb in vielerlei Hinsicht eine unsichtbare Krise ohne spektakuläre Bilder und öffentliches Säbelrasseln. Doch um ihre Dramatik richtig einschätzen zu können, muss man sie als Höhepunkt einer ganzen Serie von Krisen betrachten, die das Jahr 1983 prägten: Führungswechsel in Moskau und Washington, der sowjetische Abschuss eines südkoreanischen Passagierflugzeugs und ein Fehlalarm des sowjetischen Raketenfrühwarnsystems sind nur einige davon. Der Vortrag führt in die von Paranoia und Fehlwahrnehmungen geprägten Supermächtebeziehungen von 1983 ein und entwirft ein Tableau von außer Kontrolle geratenen Technologien, strategischen Gedankenspielen zum Weltuntergang und Geheimdiensten, die schon längst nicht mehr nur Politik ausführten, sondern sie auch mitgestalteten. Zugleich sollen offene Kontroversen zur Able-Archer-Krise benannt und verbreitete Annahmen hinterfragt werden.

Klaas Voß studierte Geschichte, Politikwissenschaft und Amerikanistik in Hamburg und den USA und wurde an der Universität Hamburg promoviert. Derzeit erforscht er die Reintegration von Veteranen in Nachkriegsgesellschaften. Ausgewählte Veröffentlichungen: Washingtons Söldner. Verdeckte US-Interventionen im Kalten Krieg und ihre Folgen (2014) und Erbe des Kalten Krieges (Hg. mit Bernd Greiner, Tim B. Müller 2013).

Veranstaltung in englischer Sprache