Vortrag
Dienstag, 19.6.2001, 19:00h

Hans-Joachim Neubauer

Privatdozent an der Freien Universität Berlin

Amokvariationen. Zur Kulturgeschichte der Raserei

Gesprächsleitung: Prof. Dr. Joseph Vogl, Weimar

Amokläufer sind die negativen Helden schlechthin: Sie töten grundlos, ihr Angriff kommt aus dem Hinterland der Normalität, und in der Anonymität ihres Handelns spiegeln sich Hass und Willkür. Daher rührt das Entsetzen, das sie erzeugen, daher auch rührt ihre Faszination für die Medien, für Autoren wie Stefan Zweig und Hermann Hesse, für Filmemacher wie Fassbinder, Bogdanovich, Schumacher oder Stone. Seit dem frühen zwanzigsten Jahrhundert symbolisiert der rasende Mörder das Risiko, die Gegenseite eines statistisch abgesicherten Alltags. In ihm erblickt der Bürger seine fatale Karikatur. Doch in der Figur des Amokläufers überschneiden sich auch kulturelle Techniken Europas mit solchen aus dem südostasiatischen Raum. Welche Bedeutung hat dieser Transfer? Und welche Rolle spielen die wiederkehrenden »ästhetischen« Muster, nach denen die blindwütigen Mörder vorgehen

Hans-Joachim Neubauer ist Privatdozent für Neuere Deutsche Literatur und Allgemeine Literaturwissenschaft an der Freien Universität Berlin und freier Autor. Von ihm sind u.a. erschienen: Judenfiguren – Drama und Theater im frühen 19. Jahrhundert, Frankfurt/Main 1994, Fama. Eine Geschichte des Gerüchts, Berlin 1998. Demnächst erscheint: Einschluss. Bericht aus einem Gefängnis, Berlin 2001.