Lecture
Saturday, Jun 22, 2019, 3:00 PM

Alice von Bieberstein

19. Januar, 24. April. Gedenken als Aufbau von Gegenöffentlichkeit

Viele Jahre ging das Erinnern an den armenischen Völkermord in Deutschland über die Grenzen der kleinen armenischen Gemeinde nicht weit hinaus. In den letzten fünfzehn Jahren hat sich allerdings nicht nur im öffentlichen Bewusstsein etwas getan. Verstärkt treten auch aus der Türkei stammende Akteure auf, die durch eine Aufarbeitung der Gewaltgeschichte jenes Landes etwas gegen Leugnung, Nationalismus und Rassismus in den Migranten-Communities tun möchten. Die Ermordung des türkisch-armenischen Journalisten Hrant Dink in Istanbul im Januar 2007 ist hier ein Schlüsselmoment. Zunächst im Ballhaus Naunynstraße und später im Maxim Gorki Theater wurden erst der 19. Januar – Dinks Todestag – und dann auch der 24. April als Gedenktag an den Völkermord zu festen Tagen einer postmigrantischen Gegenöffentlichkeit, die die Geschichte von und das Gedenken an Gewaltverbrechen transnational begreift und praktiziert.

Alice von Bieberstein ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Europäische Ethnologie und dem Centre for Anthropological Research on Museums and Heritage (CARMAH) an der Humboldt-Universität zu Berlin. Nach ihrer Promotion an der University of Cambridge zu Geschichtspolitik und Staatsbürgerschaft in Deutschland und der Türkei befasste sie sich im Rahmen von Postdoc-Stellen an der University of Cambridge und dem Wissenschaftskolleg zu Berlin mit Fragen von Gewalt, Wert und Materialität. Ihre Forschung fokussiert sich auf den Umgang mit und die Schöpfung von Wert aus den materiellen Hinterlassenschaften der Armenier*innen im Osten der Türkei. Ihre Publikationen sind u.a. erschienen in Subjectivity, Social Research und dem Journal of the Royal Anthropological Institute.