Lecture
Thursday, May 19, 2011, 7 PM

Raphael Gross

Direktor des Leo Baeck Instituts in London und des Fritz Bauer Instituts in Frankfurt/Main

Zur Moralgeschichte des Nationalsozialismus

Gesprächsleitung: Prof. Dr. Michael Wildt, Berlin

Ehre, Treue, Anstand, Kameradschaft: Im Nationalsozialismus herrschten weder Rechtsstaat noch Freiheit, sondern der blanke Terror – der aber wiederum im Namen althergebrachter bürgerlicher Tugenden und Werte. Im Vortrag wird die problematische Inanspruchnahme der Moral durch die Nationalsozialisten diskutiert und gezeigt, dass es gerade der Appell der Nazis an gegenseitig eingeforderte moralische Werthaltungen und Tugenden war, durch den sie die Begeisterung der deutschen Bevölkerung für die imaginierte Volksgemeinschaft wecken konnten. Aus dieser Perspektive wird auch verständlich, dass die von so vielen getragene verbrecherische NS-Moral nach der militärischen Niederlage 1945 nicht plötzlich verschwinden konnte.

Raphael Gross ist Direktor des Leo Baeck Instituts in London und des Fritz Bauer Instituts in Frankfurt. Er leitet zugleich das Jüdische Museum in Frankfurt am Main. Daneben lehrt er als Honorarprofessor an der Goethe-Universität, Frankfurt am Main sowie an Queen Mary, University of London. Er veröffentlichte u. a. Carl Schmitt und die Juden: Eine deutsche Rechtslehre (2005); Anständig geblieben: National-sozialistische Moral (2010).

Michael Wildt ist Professor für Deutsche Geschichte im 20. Jahrhundert mit Schwerpunkt im Nationalsozialismus an der Humboldt-Universität zu Berlin.