Rüdiger Zill
Zivilisationsbruch mit Zuschauer (Einführung)
Leiden erzeugt Resonanz bei denen, die es miterleben. Wer sich mit dem Leidenden identifiziert, fühlt mit. Seitdem sich unser Gesichtskreis durch die medialisierte Wahrnehmung erweitert hat, ist Mitleid aber immer auch zu einem Kampf um Aufmerksamkeit geworden. Wenn es stimmt, dass wir stärker mit denen fühlen, die uns nahe sind, was bedeuten dann die stetig wachsenden Möglichkeiten zum Mitgefühl? Was bedeutet die Vervielfältigung des Bildlichen, das immer schon als das emotionalere Medium galt? Bringen die Medien uns das Leid wirklich näher, oder erzeugen sie eine Krise des Mitgefühls, weil sie uns überfordern und damit gerade wieder distanzieren? Braucht Mitgefühl persönliche Vermittler, und wer ist solch ein glaubwürdiger Mittler? Welcher Mittel darf er sich bedienen? Ist Mitleid überhaupt noch ein mögliches Fundament der Moral?