Vortrag
Donnerstag, 26.6.2014, 17:30h

Karl-Heinz Kohl

Professor für Historische Ethnologie und Direktor, Frobenius-Institut an der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main

Wittgenstein und die Ethnologie seiner Zeit

Wittgensteins Äußerungen zur Ethnologie nehmen in seinem Nachlass nur wenige Seiten ein. Berühmt geworden sind vor allem seine Bemerkungen zu Frazer. Dessen evolutionistischer Ansatz war damals freilich schon obsolet. Die Angehörigen der sich neu herausbildenden britischen Schule der „Social Anthropology“ kritisierten ihn nicht weniger stark. Ohne dass es zu direkten Berührungen gekommen zu sein scheint, entwickelten sie Positionen, die Wittgensteins Überlegungen zu Ritual und Magie sehr nahe kamen. „Familienähnlichkeiten“ weisen auch die Ansätze auf, die in den Zwanziger Jahren von Lévy-Bruhl in Frankreich und Leo Frobenius in Deutschland vertreten wurden.

Karl-Heinz Kohl. Studium der Religions- und Geistesgeschichte, Geschichte und Philosophie, Religionswissenschaft und Ethnologie an der Universität Erlangen und der Religionswissenschaft, Ethnologie, Geschichte und Philosophie an der Freien Universität Berlin; 1980 Promotion (Religionswissenschaft, Ethnologie und Alte Geschichte) an der Freien Universität Berlin. 1979–1984 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Religionswissenschaftlichen Institut der Freien Universität Berlin; 1985–1988 Wissenschaftlicher Angestellter an der FU Berlin; 1986 Habilitation in Religionswissenschaft. 1988–1996 Professor für Allgemeine Ethnologie am Institut für Ethnologie und Afrika-Forschung der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. 1992–2003 ethnographische Feldstudienaufenthalte in Ostflores, Nigeria, Papua-Neuguinea und auf Panta. Seit 1996 Professor für Kultur- und Völkerkunde am Institut für Historische Ethnologie sowie Direktor des Frobenius-Instituts an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main. 2001–2002 Theodor-Heuss-Professur an der New School University, New York. Seit 2005 Ordentliches Mitglied der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften.
Publikationen: Entzauberter Blick. Das Bild vom guten Wilden und die Erfahrung der Zivilisation (1981, Neuaufl. 1986); Abwehr und Verlangen. Zur Geschichte der Ethnologie (1987); Mythen im Kontext. Ethnologische Perspektiven (1992); Ethnologie – die Wissenschaft vom kulturell Fremden. Eine Einführung (1993, 2. Aufl. 2000); Die Macht der Dinge. Geschichte und Theorie sakraler Objekte (2003). Herausgeberschaften: Mythen der neuen Welt. Zur Entdeckungsgeschichte Lateinamerikas (1982); mit Christoph Franzen und Marie-Louise Recker: Der Kaiser und sein Forscher. Der Briefwechsel zwischen Wilhelm II. und Leo Frobenius (1924–1938) (2012); Ethnologie. Die Wissenschaft vom kulturell Fremden (3., erweiterte und aktualisierte Aufl. 2012); mit Holger Jebens: The End of Anthropology (2011); mit Christian Carstensen, Susanne Jauernig und Henry Kammler: Transfer und Wiederaneignung von Wissen (2011); Mitherausgeber des Handbuchs religionswissenschaftlicher Grundbegriffe.