Vortrag
Freitag, 4.12.2020, 10:15h

Eberhard Seidel

Berlin

Wie der Döner Kebap Deutschland verändert. Heimat, Einwanderungsland und wiedervereintes Deutschland entlang der Geschichte des Döner Kebaps erzählt

  Anmeldung für den Vortrag auf der Tagungsseite “Heimat. Wo alles bleibt, wie es nie war”.
 
 

Der Döner Kebap, so wie wir ihn kennen, ist eine Berliner Kreation. Von hier trat er vor fünfzig Jahren seinen Siegeszug durch die Republik an und begeisterte erst die Menschen im Westen und nach 1990 auch die im Osten. Aus einem, besser zwei Ländern mit einer recht homogenen Bevölkerung wurde ein Land der Vielen, in der jeder Vierte einen sogenannten Migrationshintergrund hat. Mehr als alle kulturellen Offensiven, Freundschaftsfeste, moralischen und politischen Appelle hat der Döner die interkulturelle Begegnung befördert: Nicht in den Volkshochschulen und an den Stätten der Hochkultur, sondern an der Imbissbude kamen Hans und Mustafa ins Gespräch. Wenn irgend jemand die Bürger*innen der DDR nach 1990 lehrte, dass die Wiedervereinigung auch Millionen von Einwanderer*innen betraf, dann waren es die Dönerverkäufer*innen. Sie wagten sich, kaum war die Mauer gefallen, in den Wilden Osten vor und bauten in der Gluthitze des Dönergrills Brücken der Verständigung.
Die Geschichte des Döner Kebaps ist aber auch eine der Gewalt und des Rassismus. In den zurückliegenden 30 Jahren wurden mehr als 1.000 Imbisse angegriffen – es wurden Schaufenster eingeworfen, Brand- und Terroranschläge verübt, Verkäufer*innen von Neonazis misshandelt.
Darüber hinaus verbinden sich mit dem Döner Kebap Erfolgs- und Emanzipationsgeschichten: Fünfzig Jahre nach seiner Markteinführung ist er das beliebteste Fastfood Deutschlands und hat sich von hier in die europäischen Nachbarländer verbreitet. Er hat Karrieren und soziale Aufstiege ermöglicht. Der Döner und Deutschland sind untrennbar miteinander verbunden.

Eberhard Seidel ist Geschäftsführer der Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage und dort verantwortlich für die Publikationsreihen. Seit den frühen 1980er-Jahren arbeitete er als freier Journalist für Zeitungen und Rundfunkstationen, ab 1990 folgten Buchveröffentlichungen zu den Schwerpunkten Rechtsextremismus, Islamismus, Migration und jugendliche Subkulturen. Von 1997 bis 2002 war er Redakteur der tageszeitung. 1998 war er Gründungsmitglied des Archivs der Jugendkulturen und ist Stiftungsratsvorsitzender der Stiftung Respekt!