Fabienne Liptay
Vom Testen. Affekt und Ökonomie in Hollywood
Von einem »gewaltigen Laboratorium«, das »die Wissenschaft von der Arbeit« sich errichtet hat, ist bei Walter Benjamin die Rede, in einem Radiobeitrag aus dem Jahr 1930, der Fragen der Berufswahl und Berufsberatung vor dem Hintergrund wachsender Arbeitslosigkeit anspricht. Benjamins Betrachtungen zur wissenschaftlichen Erforschung der Arbeitsleistung im Dienste der Kontrolle und Steuerung von Ausleseprozessen fließen wenig später in seinen Kunstwerk-Aufsatz ein, wo sie mit dem Film in Verbindung gebracht werden. Beim Film werde die Leistung der Schauspieler, wie bei einer Berufseignungsprüfung, »einer Reihe von optischen Tests« unterworfen. Seine Überlegungen fallen in das zeitliche Umfeld einer umfassenden Organisation des Arbeitslebens mit dem Ziel maximaler Gewinne und minimaler Verluste. Screentests von Schauspielern und Statisten kommt in diesem Zusammenhang seit der Etablierung Hollywoods als Filmindustrie eine zentrale Funktion zu, insofern sie dazu beitragen, das ökonomische Risiko der Filmproduktion unter standardisierten Bedingungen kalkulierbar zu machen. Der Vortrag geht der Frage nach, wie das Zeigen von Gefühlen dabei einer Affektökonomie unterliegt, die der Steigerung industrieller Effizienz dienstbar gemacht wird.
Fabienne Liptay ist Professorin für Filmwissenschaft an der Universität Zürich. Studium der Filmwissenschaft, Theaterwissenschaft und Anglistik in Mainz, dort 2002 Promotion im Fach Filmwissenschaft. 1999 bis 2001 freie Mitarbeiterin in der Fernsehredaktion 3sat Kulturzeit. 2002 bis 2007 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Seminar für Filmwissenschaft der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. 2007 bis 2013 Juniorprofessorin für Filmgeschichte am Institut für Kunstgeschichte der LMU München. Sie lehrt und forscht zur Bildlichkeit des Films, zu Wechselbeziehungen zwischen den visuellen Künsten und Medien, zu Prozessen ästhetischer Produktion, zur Geschichte filmischer Formate und institutioneller Ausstellungskontexte von Filmen. Sie ist Leiterin des Forschungsprojekts »Exhibiting Film: Challenges of Format« (gefördert vom Schweizerischen Nationalfonds). Ausgewählte Publikationen: Telling Images. Studien zur Bildlichkeit des Films (2016); Artur Żmijewski. Kunst als Alibi (Mit-Hg. 2017); Immersion in the Visual Arts and Media (Mit-Hg. 2015).