Vortrag
Dienstag, 30.4.2013, 19h

Dirk Moses

Professor of Global and Colonial History, European University Institute, Florenz

Vom Terror der Geschichte zu einer kosmopolitischen Zukunft. Die Entkolonialisierung der Erinnerung in einem globalen Kontext

Gesprächsleitung: Prof. Dr. Sebastian Conrad, Berlin

Die Debatte über den Vorrang des GULag vor dem Holocaust in der Erinnerungskultur Zentral- und Osteuropas ist inzwischen weithin bekannt. Westeuropäer haben vor allem die Zurückhaltung der Zentral- und Osteuropäer bei der Unterzeichnung der Stockholmer Erklärung über den Holocaust aus dem Jahr 2000 moniert. Zentral- und Osteuropäer ihrerseits haben die westlichen Länder für eine vermeintliche Verharmlosung ihrer Leiderfahrung unter Sowjetherrschaft kritisiert. Geprägt wurde die Debatte auf beiden Seiten von den üblichen Denkmustern: Dem Vorwurf des Totalitarismus aus dem Kalten Krieg bzw. der Beschwörung des Antifaschismus.
In seinem Vortrag wird Dirk Moses eine alternative Sichtweise vorschlagen, indem er die koloniale Dimension in den Blick nimmt. Denn die Ansprüche, die hier erhoben werden, ergeben sich aus einem auch andernorts bekannten Muster: Von einer von Völkermord begleiteten Besetzung, über die Besiedlung und Verdrängung, bis hin zum aufopferungsvollen Untergrundkampf – all diese Erfahrungen bilden die allgemeine Grundlage politischer Emotionen. Der anhaltende Einfluss eines historischen Bewusstseins von Terrorerfahrungen drückt sich in der ethnisch parteilichen Erinnerung nationaler Befreiungsbewegungen aus, die noch immer die Debatte bestimmen. Der Glaube an eine kosmopolitische Zukunft ist solange aussichtslos, wie die Quellen dieser Parteilichkeit nicht verstanden und thematisiert werden.