Vortrag
Freitag, 5.7.2019, 15:00h

Konstanty Gebert

(Warsaw)

Using Truth for Lying. Poland’s Struggles with its WWII Jewish Past

Die Gesetzgebung, die fälschlicherweise als „Holocaust- Gesetz“ bezeichnet wird und 2018 vom polnischen Parlament verabschiedet wurde, um bestimmte Aussagen über Ereignisse im besetzten Polen während des Zweiten Weltkriegs zu sanktionieren, führte zur größten postkommunistischen internationalen Krise des Landes und sorgte national wie international für Empörung. Nach Aussagen der Regierung war das Gesetz wegen angeblich zunehmender Hinweise auf „polnische Todeslager“ notwendig. Jedoch wurde dieser – in der Tat potenziell verleumderische – Begriff vor der Verabschiedung des Gesetzes nur selten verwendet, und auch das Gesetz selbst erwähnte ihn nicht. Ähnlich wurden andere kritische Bezugnahmen auf das Verhalten Polens während des II. Weltkriegs von staatlich zugelassenen Historikern mit dem Hinweis auf ein vermeintlich moralisch anstößiges Verhalten der Opfer abgewehrt.
Diese Hinweise waren mitunter richtig, falsch wurden sie jedoch durch ihre unverhältnismäßige und aus dem Kontext gerissene Verwendung. Diese Methode einer historischen, aber auch politischen Polemik gewinnt an Schlagkraft in einer Gegenwart, in der Populisten Regierungen und Medien übernehmen und Debatten nicht durch die Wahrheit, sondern durch den Anschein der Wahrheit zu gewinnen suchen.

Konstanty Gebert ist ein in Polen lebender Autor, Journalist, Dozent und politischer Aktivist. 1976 machte er seinen Studienabschluss am Psychologischen Institut der Universität Warschau. Er war eine zentraler Akteur in der demokratischen Opposition der 1970er und 1980er Jahre und ist Mitbegründer der inoffiziellen Jewish Flying University (1979), des polnischen Rates der Christen und Juden (1980) und einer akademischen Gewerkschaft, die 1980 mit der Solidarnosc zusammengeführt wurde. Unter dem Kriegsrecht schrieb er unter dem Pseudonym David Warszawski Artikel für zahlreiche Untergrundpublikationen. Konstanty Gebert war zudem als Kriegsberichterstatter für die Gazeta Wyborcza in Bosnien tätig. Seine Artikel wurden in verschiedenen nationalen Zeitschriften und ausländischen Medien veröffentlicht. Er hat zahlreiche Bücher geschrieben, über die Gespräche am Runden Tisch in Polen 1989 ebenso wie über die politische Haltung Frankreichs gegenüber Polen, die Jugoslawienkriege, die Israelkriege und die Juden im Nachkriegspolen sowie einen Kommentar zur Thora. Er ist Begründer der Midrasz, der ersten polnischsprachigen jüdischen Zeitschrift im postkommunistischen Polen.

Veranstaltung in englischer Sprache