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Sebastian Kühn: Trinken mit Gelehrten. Über Freunde, Feinde und »andere Freunde« in der Frühen Neuzeit


Vortrag
Samstag, 8.12.2018, 16:00h

Sebastian Kühn

Trinken mit Gelehrten. Über Freunde, Feinde und »andere Freunde« in der Frühen Neuzeit

Was Freundschaft nicht in der Norm, sondern in der Praxis hat sein können, erschließt sich vielleicht am ehesten in typischen Handlungen. Gelehrte tranken viel miteinander und beschworen dabei ihre Freundschaft: zu Hause, im Wirtshaus, zu Besuch – ein Anlass hat sich oft gefunden. Doch um gar nicht erst das Zerrbild einer bierseeligen Vergangenheit aufkommen zu lassen – diese Freundschaft war nicht der Kitt der Gesellschaft, sie hatte keine einigende, befriedende, egalisierende Kraft. Nein, ganz im Gegenteil wird sich zeigen, dass Freundschaft sehr stark fragmentierend wirkte, dass sie Hierarchien schuf und Machtmittel war, dass sie Gesellschaft zersetzte, sodass sie sinnvoll nur im Zusammenhang mit Feindschaft erklärt werden kann.
Am Beispiel englischer, französischer und deutscher Gelehrter des 17. und 18. Jahrhunderts erfahren wir aber nicht nur etwas über diese gelehrten Freundschaften. Selten, aber dann wohl umso aussagekräftiger, treffen wir auf andere Freundinnen und Freunde im Trinken. Hier wird gnadenlos gehandelt und getauscht – wie auf dem Marktplatz –, und die Transaktion wird mit dem Trinken bekräftigt. Kurz: Die brutale Ehrlichkeit der Praktiken wirkte in der Summe integrierender als die sanfte Brutalität höflicher Freundschaftsdiskurse.

Sebastian Kühn ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Historischen Seminar der Leibniz Universität Hannover. Er arbeitet dort seit 2013 an einem DFG-Projekt zu Dienerschaften im höfischen Umfeld. Nach einem Studium der Geschichte, Evangelischen Religion und Philosophie wurde er an der Freien Universität Berlin promoviert. Die Dissertationsschrift wurde mit dem Friedrich-Meinecke-Preis und dem Ernst-Reuter-Preis ausgezeichnet; 2011 erschien sie unter dem Titel Wissen, Arbeit, Freundschaft. Ökonomie und soziale Beziehungen in den Akademien von London, Paris und Berlin um 1700. Seine Forschungsinteressen gelten der Geschichte der Frühen Neuzeit, der Historischen Anthropologie, der Sozialgeschichte, der Kulturgeschichte des Politischen und der Geschichte von Gelehrtenkulturen. Zu seinen weiteren Publikationen zählen u.a. die Aufsätze Feindschaft in der Gelehrtenkultur der Frühen Neuzeit (WerkstattGeschichte 55, 2011) und Konflikt und Freundschaft in der gelehrten Kommunikation um 1700, in: K.-D. Herbst, S. Kratochwil: Kommunikation der Frühen Neuzeit (2009).

Homepage: www.hist.uni-hannover.de/sebastian_kuehn.html