Vortrag
Donnerstag, 4.5.2017, 17:30h

Petra Boden

„Tonbandaffären“. Das Protokoll als geronnenes Gespräch

In den 1960er Jahren hat sich in den Geisteswissenschaften eine lange Zeit bewährte Praxis entwickelt: Tagungsdiskussionen wurden als Tonbandaufzeichnungen festgehalten und anschließend aufwendig transkribiert. Das Gesagte sollte nicht verlorengehen. Allerdings wichen die Verwertungsformen dieser Gespräche voneinander ab. Im Hinblick darauf, dass im Protokoll eine Diskussion sichtbar wird, in der Wissensansprüche geltend gemacht oder verworfen und bestimmte Erkenntnisse formuliert werden, ist die Praxis der unterschiedlichen Verwertungen solcher Protokolle aufschlussreich. Mal wurden sie als Diskussionen abgedruckt, mal zu nachträglich verfassten Diskussionsbeiträgen umformuliert, oder sie blieben unveröffentlicht. Der Beitrag wird zeigen, welche Überlegungen und Entscheidungen dafür jeweils zugrunde lagen, und er wird der Frage nachgehen, welchen Status diese Protokolle als Quelle wissenschaftsgeschichtlicher Forschung haben.

Petra Boden studierte Germanistik und Anglistik an der Humboldt-Universität zu Berlin und promovierte dort mit einer Arbeit zur Geschichte der Berliner Germanistik in der Weimarer Republik und im Dritten Reich. Als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentralinstitut für Literaturgeschichte der Akademie der Wissenschaften der DDR arbeitete sie zur deutschen Literatur und Geschichte der Literaturwissenschaft des 19. Jahrhunderts, seit 1991 in DFG-geförderten Projekten zur Wissenschaftsgeschichte der Geisteswissenschaften, zuletzt am Deutschen Literaturarchiv in Marbach zur Geschichte der Forschungsgruppe Poetik und Hermeneutik.
Ausgewählte neuere Publikationen: Geisteswissenschaften und Gesellschaft (Mit-Hrsg. 2003); Modernisierung ohne Moderne. Das Zentralinstitut für Literaturgeschichte an der Akademie der Wissenschaften der DDR (1969–1991) (Mit-Hrsg. 2004); Populäres Wissen im medialen Wandel seit 1850 (Mit-Hrsg. 2009); So viel Wende war nie. Zur Geschichte des Projekts „Ästhetische Grundbegriffe” (2014); Poetik und Hermeneutik im Rückblick (Mit-Hrsg. 2016).