Annalise Acorn
The Morality of Resentment
Viele unterschiedliche – manchmal sogar sich widersprechende – Konzeptionen der Moral beschäftigen sich mit dem Ressentiment, verurteilen es aber dabei auch. Nietzsche verdammt es als sklavisch, denn es zerstöre die gesunde menschliche Entwicklung; die Stoiker lehnen das Ressentiment ab, weil es ein Mangel an innerer Freiheit bedeute; Aesop verwirft es wegen seiner Saure-Trauben-Attitüde; die christliche Morallehre führt es auf fehlende Liebe zurück; die Ökonomen betrachten es als Störung der Effizienz; sogar der Feminismus und die critical race theory – die es zu schätzen scheinen – weisen es zurück, denn sie vermissen hier die Zeichen eines radikalen politischen Zorns. Annalise Acorn versucht hingegen zu zeigen, wie jenes Gefühl, das alle Moralisten so inbrünstig hassen, das Ressentiment, seine Form und seinen Inhalt durch den Spott seiner Gegner verändert und auch dadurch, dass es zu manchmal deutlich abweichenden Tugenden in Opposition gesetzt wird. Mehr noch: Man kann zeigen, dass all diese Gegner sich dennoch auf das Ressentiment verlassen, auch wenn sie es zurückweisen.
Annalise Acorn unterrichtet am Institut für Rechtswissenschaften der University of Alberta, Kanada. Ihre Spezialgebiete sind Emotionen und Konfliktforschung, Recht und populäre Kultur, Rechtsethik und internationales Privatrecht. Publikationen u.a.: Compulsory Compassion: A Critique of Restorative Justice (Vancouver 2004).