Barbara H. Rosenwein
The History of the Emotions. Narratives Old and New
Wie thematisieren wir heute die Geschichte der Gefühle, ihren historischen Wandel oder ihre Kontinuität? Die wenigen Theorien, die den Emotionen bisher überhaupt eine Geschichte zubilligen, sind unzureichend. Nach wie vor bilden Norbert Elias’ Überlegungen zum Prozess der Zivilisation, denen zufolge wir erst seit dem Absolutismus unsere ursprünglich unmittelbaren und intensiven emotionalen Reaktionen zu kontrollieren und abzumildern begonnen haben, den Ausgangspunkt für viele zeitgenössische Historiker. Peter Stearns hat in seiner Emotionologie diesen Ansatz mit dem Konstruktivismus verbunden. So wie bei Elias der Staat eine Veränderung unseres Umgangs mit Emotionen bewirkt, so ist es bei Stearns der soziale Wandel. In beiden Fällen bewirken äußere Faktoren innere Veränderungen. William Reddy hingegen weist darauf hin, dass Emotionen ihrerseits die Geschichte beeinflussen. In diesem Zusammenhang führt er zwei zentrale Termini ein: das Emotiv (analog zu Austins Performativ) und das emotionale Leiden, das entsteht, wenn man nicht mit Emotiven experimentieren darf. Ich selbst habe in meinem Buch Emotional Communities in the Early Middle Ages emotionale Gemeinschaften als zentrale Akteure der Geschichte einzuführen versucht. Worin bestehen nun die Vorteile und die Schwächen der unterschiedlichen neueren Ansätze?
Barbara H. Rosenwein ist Professorin im Department of History der Loyola University, Chicago. Sie lehrt mittelalterliche Geschichte unter besonderer Berücksichtigung der Geschichte der Emotionen, religiöser, sozialer und intellektueller Geschichte sowie der Wechselbeziehungen zwischen Byzanz, der westlichen und der islamischen Welt. Zu ihren Buchveröffentlichungen gehören: Emotional Communities in the Early Middle Ages (2006) und A Short History of the Middle Ages (2001).