Vortrag
Freitag, 21.2.2025, 11:00h

Bodhisattva Kar

(Cape Town)

Six Theses on Decoloniality

[Sechs Thesen zur Dekolonialität]

In seiner Konzeption von Dekolonialität als theoretischem Gegenentwurf zum Postkolonialismus hat Walter D. Mignolo nicht nur wiederholt seine Überzeugung von der Führungsrolle der BRICS-Länder bekräftigt, sondern diesen Staaten auch das Vermächtnis der Bandung-Vision zugeschrieben. Diese Vorannahmen stellt der Vortrag durch eine historische Kontextualisierung in Frage und schlägt einen kritischen Blick auf die Dekolonialität vor, der sich auf fünf Aspekte konzentriert: (1) die Instabilität der Beschreibungskategorie „kolonial“, (2) die Funktionsweise von Authentizitätsbehauptungen in populistischen Regimen, (3) die neophänomenologische Verknüpfung von Erfahrung und Epistemen, (4) die Veränderungen der Wirtschaftsideologien nach Bandung und (5) die neoliberale Institutionalität. Diese Neuperspektivierung macht deutlich, dass der Diskurs der Dekolonialität in widersprüchlicher Weise ein revolutionäres Subjekt entwirft, das dem autoritären Populismus Vorschub leistet.

Bodhisattva Kar ist Associate Professor am Fachbereich Geschichtswissenschaften der Universität Kapstadt. Er studierte am Presidency College, Kalkutta, und wurde an der Jawaharlal Nehru University in Neu-Delhi promoviert. Kar lehrte und forschte an mehreren renommierten Institutionen in Amsterdam, Berlin, Kalkutta, Chicago, Delhi, Hamburg, Mexiko-Stadt, Oxford und Paris. Er ist Mitglied in den Redaktionsausschüssen verschiedener internationaler Zeitschriften und wissenschaftlicher Reihen. Kars Forschungsinteressen umfassen die Fachgeschichte, den Aktienkapitalismus, den Primitivismus, die Geschichte Süd- und Südostasiens im 19. und 20. Jahrhundert, die moderne afrikanische Geistesgeschichte sowie die komparatistische Geschichte der Grenzen. In seiner Arbeit schlägt er Brücken zwischen Wirtschafts- und Kulturgeschichte, vertritt das anti-identitäre Potenzial der Geschichtswissenschaft und versucht, eine egalitäre Ethik der Auseinandersetzung mit dem Nicht-Geschichtlichen zu entwickeln, ohne auf die Vorzüge des Archivs zu verzichten.

Veranstaltung in englischer Sprache