Juliet Floyd
Scepticism, Trust and Forms of Life
Auch wenn Fake News, Paranoia und Zeitungsenten immer schon Nebenwirkungen der modernen Presse gewesen sind, gefährdet das weltweit drastisch ansteigende Misstrauen gegenüber den Massenmedien sowohl die wichtige Rolle der Presse in einer demokratischen Kultur als auch die Vorstellungen der Bevölkerung von einer erfolgreichen Regierung.
Mit Blick auf das World Wide Web hatte James Everett Katz dieses Phänomen bereits 1998 prognostiziert. In seinen folgenden Studien zu Affordanzeffekten bei Mobilfunknutzern wies Katz zudem auf die soziale Dimension als treibende Kraft hin.
Die gegenwärtige Skepsis gegenüber staatlichen Nachrichtenagenturen wird befördert durch wirtschaftliche Faktoren, den Einfluss schwacher Bindungen, ein mangelndes Verständnis für die Funktionsweise von Algorithmen (die, einmal sozial implementiert, keinesfalls neutral sind) sowie die zumeist hierarchischen, aber auch störenden und potenziell reformerischen Auswirkungen mancher Stimmen und chatbots auf das journalistische gatekeeping und das politische spamming. Im Allgemeinen können Nutzungen, Motivationen und Folgen der sozialen Medien in ihren weltweit verschiedenen Kontexten nicht eindeutig festgelegt werden und sind vielfältiger Ausdruck des menschlichen Lebens und der zwischenmenschlichen Beziehungen. Vermitteln zwar erste Studien ein besseres Bild der relevanten Variablen, so bleibt der Diskurs in den und über die sozialen Medien doch im Ganzen epideiktisch. Aufbauend auf einen Überblick über die jüngsten soziologischen Arbeiten der Apparatgeist-Schule von Katz und Ergebnissen eines Mellon Sawyer-Seminars, das ich 2017–2019 an der Boston University mitorganisiert habe, werde ich argumentieren, dass es immer noch die soziale Wirklichkeit, unsere sich rapide weiterentwickelnden Lebensformen sind, die im Zentrum einer philosophisch, humanistisch und empirisch informierten Forschung stehen müssen.
Juliet Floyd ist Professorin für Philosophie an der Boston University. Ihre Forschungsinteressen umfassen Logik, Mathematik, und Philosophie im 18., 19. und 20. Jahrhundert sowie aktuelle philosophische Implikationen der sich herausbildenden Computertechnologien. Als Expertin für Wittgenstein und Turing hat sie zu zahlreichen Themen gearbeitet, darunter Ästhetik, Moderne, regelgerechtes Verhalten, Philosophie der Alltagssprache und amerikanischer Pragmatismus. Sie ist Mitherausgeberin von Future Pasts: The Analytic Tradition in Twentieth Century Philosophy (2001, mit S. Shieh); Philosophy of Emerging Media: Understanding, Appreciation, Application (2016, mit J. E. Katz) und Philosophical Aspects of the Legacy of Alan Turing: Turing 100 (2017, mit A. Bokulich).