Annette Steyn, Paul Udo Urbanski
(neue Anfangszeit) Postcolonial Potsdam. Kolonialgeschichte und postkoloniales Schweigen in Potsdam
2014 gründeten Studierende der Universität Potsdam die Arbeitsgruppe Postco-
lonial Potsdam, deren vielfältige Arbeit der Vortrag einleitend vorstellt. Sie reicht
von einer Ausstellung und Filmvorführungen über einen Blog und die Erstellung
von Lehrermaterialen bis hin zu regelmäßig angebotenen Themen-Touren durch
den Park Sanssouci und die Entwicklung eines Audio Guides. Postcolonial Pots-
dam lädt ein, durch den Kolonialismus geprägte Lebensperspektiven und -ge-
schichten, die sich im Stadtbild gefunden haben oder bis heute finden, kennen-
zulernen. Exemplarisch greift der Vortrag weiterhin einzelne dieser Geschichten
heraus, um den Park Sanssouci als Mikrokosmos monarchistischer Hegemo-
niedarstellungen zu analysieren und die koloniale Amnesie in der Gesellschaft
näher zu betrachten. Die Frage »Wer erzählt(e) was und wie?« führt dabei auch
zur Auseinandersetzung mit der deutschen Erinnerungskultur und damit zum
Kern unserer Bildungsarbeit: Wir möchten dazu einladen, museale Darstellungs-
formen neu zu kontextualisieren, mit aktivistischen Erfahrungsberichten abzu-
gleichen und zu hinterfragen, wer zukünftig was zu welchen Geschichten beitra-
gen kann.
Annette Steyn wuchs als Kind südafrikanischer Eltern in Großbritannien auf und
wurde dort im Bildungssystem früh mit der Problematik der kolonialen Amnesie
konfrontiert. Während ihres Bachelorstudiums der Fächer Anglistik und Soziolo-
gie in Potsdam vertiefte sich ihr Interesse für Literatur- und Kulturwissenschaft
sowie für koloniale Geschichte und koloniale Kontinuitäten. Derzeit absolviert
sie ihren Master in Ethnographie an der Humboldt-Universität zu Berlin mit den
Schwerpunkten Critical Heritage Studies, Museumsanthropologie und kritische
Europäisierungsforschung. Seit 2021 ist sie Mitglied bei Postcolonial Potsdam
und übernimmt Führungen auf Englisch; zudem hat sie an der Sonderausstellung
»Schlösser. Preußen. Kolonial. Biografien und Sammlungen im Fokus« der Stif-
tung Preußischer Schlösser und Gärten mitgewirkt.
Paul Udo Urbanski wuchs als Arbeiterkind in den 1990ern und 2000ern in der
Lausitz auf, einem Gebiet stetiger struktureller und sozialer Veränderungen.
Nach dem Lehramtsstudium in den Fächern Geschichte und Deutsch an der Uni-
versität Potsdam arbeitete er u.a. am Institut für Inklusionspädagogik, was ihn
für Rassismus und koloniale Kontinuitäten sensibilisierte. Derzeit ist er im Studi-
engang »Nachhaltige Ökonomie und Management« an der Hochschule für nach-
haltige Entwicklung Eberswalde eingeschrieben. Parallel dazu ist er als Kulturver-
mittler für die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten tätig. Seit 2018 gehört
er dem Verein Postcolonial Potsdam an, den er seitdem maßgeblich mitgestaltet
hat, nicht zuletzt durch zahlreiche Kooperationen mit Einzelpersonen, Institutio-
nen, Parteien und inzwischen auch mit offiziellen Stellen in Potsdam.