Vortrag
Mittwoch, 4.5.2022, 19:00h

Entfällt Kerstin Maria Pahl

Senior Researcher, Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, Berlin

Kaltes Herz spricht hartes Wort. Von der Gefühllosigkeit

Gesprächsleitung: Rüdiger Zill, Potsdam

Kaltherzig, gleichgültig, desinteressiert — in der westlichen Welt, online wie offline, sind das schwere Vorwürfe. Wer etwas auf sich hält, zeigt Mitgefühl, awareness und care. Ein emotionales Vokabular, durch das dem Gegner polemisch und zugespitzt ein Mangel an Gefühl vorgeworfen wird, ist spätestens seit der Aufklärung ein wichtiger Teil öffentlicher Debatten. Kritik an Politik, Wirtschaft und Gesellschaft hebt häufig die vermeintliche Erbarmungslosigkeit der Akteure und die rohe Härte des Systems hervor. Moralappelle sollen zur Besserung des Einzelnen und der Gesellschaft als Ganzem führen. Während jedoch einerseits reale Tätigkeiten, die in der allgemeinen Wahrnehmung ein hohes Maß an Desensibilisierung erfordern, wie die Arbeit im Schlachthaus oder der kriegerische Kampf, visuell verschleiert werden, erfreuen sich Genres, in denen eisige Unerbittlichkeit zelebriert wird, großer Beliebtheit: “true crime” und Psychopathen bringen Quote.
Wie verhalten sich aus historischer Perspektive Erfahrungen von und mit Empfindungslosigkeit zu deren rhetorischer Diagnose? Welche moralischen Normen, welche gesellschaftlichen Erwartungen kristallisieren sich im »kalten Herzen«?

Kerstin Maria Pahl
ist Researcher am Bereich Geschichte der Gefühle am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin. Sie studierte Kunstgeschichte, Klassische Archäologie und Neuere Deutsche Literatur in Frankfurt am Main, Berlin und Cambridge sowie China-Studien in Berlin. 2018 wurde sie an der Humboldt-Universität zu Berlin in Kunst- und Bildgeschichte und am English Department des King’s College in London promoviert.