Andrea Pető
Illiberal Memory Politics of the Holocaust in Hungary
Ungarn wurde in den letzten Jahren sowohl durch den Boulevard als auch von Qualitätsmedien als Negativbeispiel genannt, wenn es um die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg ging. Ungarn galt hier als „Nullpunkt“ eines Paradigmenwechsels in der Erinnerungspolitik, der sich etwa in Polen durch den Erlass eines berüchtigten Gesetzes durch die rechtspopulistische PiS-Regierung widerspiegelte. Dieses Gesetz kriminalisiert bestimmte historische Forschungsperspektiven. Der Paradigmenwechsel forciert auch die Nationalisierung bisher transnationaler Narrative, die Verdrängung der jüdischen Religion, Opferkonkurrenz, die Einführung von neuen Begriffen, Euphemismen, sowie Antiintellektualismus. Der Vortrag untersucht, wie diese neu etablierten Formen der Holocaust-Erinnerung von institutionell und international verankerten Akteur*innen sowie der ungarischen akademischen Gemeinschaft mitgetragen werden. Analysiert wird auch, wie sich die russische Aggression gegen die Ukraine auf dieses autoritäre Holocaust-Narrativ auswirkt.
Andrea Pető ist Professorin am Lehrstuhl für Gender Studies an der Central European University in Wien und Mitglied der Ungarischen Akademie der Wissenschaften. Ihre Forschungsgebiete sind Gender History und Gesellschaftsgeschichte im 20. Jahrhundert. Sie wurde 2018 von den All European Academies mit dem Madame de Staël Preis für kulturelle Werte ausgezeichnet. Sie veröffentlichte unter anderem Das Unsagbare erzählen. Sexuelle Gewalt in Ungarn im Zweiten Weltkrieg (2021).