Lecture
Friday, Feb 8, 2008, 2 PM

Kai Vogeley

Professor für Psychiatrie, Universität zu Köln

Ich im Gehirn. Illusion oder Illusionist?

Gesprächsleitung: Dr. Rüdiger Zill, Potsdam

In der philosophischen Tradition ist das menschliche Selbstbewusstsein mit unterschiedlicher epistemischer Autorität ausgestattet worden. Dabei lassen sich starke von schwachen Varianten abgrenzen. In der Kantischen transzendentalphilosophischen Konzeption etwa ist das Selbstbewusstsein eine transzendentale Kategorie, die vor allen empirischen Bewusstseinsinhalten zu denken ist und eine notwendige Vorbedingung nicht nur der aktuellen, sondern auch aller potenziell möglichen Bewusstseinsinhalte ist. Selbstbewusstsein ist als notwendige Bedingung der Möglichkeit von Erfahrung der Erfahrung selbst prinzipiell nicht zugänglich. Neurowissenschaftlich untersuchbar sind nur aktual vorfindbare empirische Bewusstseinsinhalte, nicht aber die allen konkret aufweisbaren Bewusstseinsvorgängen vorhergehende, eben transzendentale, Instanz. Einer solchen starken Konzeption stehen fiktionale Entwürfe gegenüber, in denen das Erlebnis eines Selbstbewussteins als Fiktion oder Illusion aufgefasst wird. Da es aber ohne Selbstbewusstsein auch keinen Erzeuger dieser Illusion gibt, wird diese Konzeption logisch problematisch: Eine Entscheidungsinstanz, die verlässlich zwischen Fiktion und Wirklichkeit unterscheiden soll, kann nicht ihrerseits selbst wieder fiktional sein. Aus Sicht der Neurowissenschaften sind daher am ehesten solche Entwürfe verwertbar, die eine Humesche Bündeltheorie des Selbstbewusstseins annehmen, demzufolge es zwar als komplexes Phänomen erscheint, aber in wesentliche Teileigenschaften zerlegbar ist, die einzeln untersucht werden können. Sind diese Eigenschaften abgegrenzt, können dann operationalisierte und empirische Beschreibungen dieser Teileigenschaften entwickelt werden.

Kai Vogeley ist seit 2004 Universitätsprofessor für Psychiatrische Früherkennung und Prävention und Leitender Oberarzt und Leiter der Arbeitsgruppe Bildgebung an der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Klinikum der Universität zu Köln. Zu seinen Arbeitsschwerpunkten zählen: Neurobiologische Korrelate der Schizophrenie; Neuropsychologie und neurale Korrelate des Perspektivwechsels; Philosophische Grundlagen der Psychiatrie und Neurowissenschaften.