Lewis R. Gordon
Hijacking Holocaust Memory as a Dehumanizing Practice
Die politische Rechte tendiert dazu, die Vergangenheit selektiv zu betrachten als eine Ära von Ordnung und Sicherheit, was der Wahrheit nicht entspricht. Orte der Verbrechen werden als vermeintliche Belege für „Schutz“ dargestellt. Die vorsätzliche Mobilisierung von Unwahrheiten eliminiert jegliche Differenzierung und Unterscheidung. Dadurch verschieben sich die Facetten, Details und unangenehmen Wahrheiten der Holocaust-Erinnerung entweder in Richtung einer extremen Einzigartigkeit (die absolut setzt) oder einer übertriebenen Metonymie und Metapher (die trivialisieren). Beides ist entmenschlichend. Das Verständnis von Unschuld, das dadurch in liberalen, neoliberalen und neokonservativen Modellen von politischer Zugehörigkeit entsteht, basiert auf dem Gegensatz von Täter*innen und Opfern. Es lässt kaum Raum dafür, weder noch zu sein, und sieht die Möglichkeit für Unschuld nur bei jenen, die zu Schaden gekommen sind.
Lewis R. Gordon ist Professor und Leiter der Abteilung für Philosophie an der Universität von Connecticut. Er ist außerdem Gastprofessor an der Universität Johannesburg, Südafrika, und Honorarprofessor am Lehrstuhl für Geisteswissenschaften der Rhodes-Universität, Südafrika. Er ist unter anderem Mitherausgeber der Zeitschrift Philosophy and Global Affairs. Zuletzt veröffentlichte er Freedom, Justice, and Decolonization (2021) und Angst vor Schwarzem Bewusstsein (2022, dt.: Okt. 2022).