Vortrag
Donnerstag, 4.5.2017, 11:15h

Rüdiger Zill

Gespräche über Gespräche. Was erfahren wir in Interviews mit Wissenschaftlern?

Wenn wir in biographischen Interviews Wissenschaftler nach ihrer eigenen Geschichte und nach der Entwicklung ihres Denkens befragen, was für eine Art von Information können wir eigentlich erwarten? Während es zum Beispiel in der Soziologie oder in der Oral History Handbücher und eine etablierte Diskussion über die Methoden von Arbeit mit Zeitzeugen gibt, werden Wissenschaftlerinterviews häufig geführt, ohne dass man sich fragt, welche Fallstricke es dabei geben könnte und wo die Grenzen der Erkenntnis sind. Kann man dabei aber aus der Praxis anderer Fächer lernen? Und wo ist der Charakter dieser Gespräche doch ein ganz anderer? Wie unterscheiden sich bei näherer Betrachtung Wissenschaftlerinterviews von anderen Formen der Oral History? Wie stehen sich Interviewer und Interviewte gegenüber? Wie weit trauen wir den Erinnerungen? Wie weit sind sie selbst schon soziale Artefakte? Spricht man mit mehreren Beteiligten über einen gemeinsamen Forschungszusammenhang (wie etwa in den Interviews zu Poetik und Hermeneutik im Rückblick) entsteht auf diese Art nicht nur ein Gespräch zwischen Interviewer und Interviewtem, sondern auch ein verkapptes Gespräch unter Abwesenden, den einzelnen Interviewten nämlich, die sich nicht nur ergänzen, sondern auch widersprechen und so ein produktives Spannungsfeld erzeugen. Wie aber geht man damit um? Wie erscheinen die Gespräche, über die man in den Interviews spricht, im Licht der Gespräche, die die Interviews selbst sind – und wie diese Interviews im Licht jener wissenschaftlichen Diskussionen?

Rüdiger Zill
studierte Philosophie, Geschichte und Soziologie in Berlin und London. 1994 Promotion an der Freien Universität Berlin mit der Arbeit Meßkünstler und Rossebändiger. Zur Funktion von Modellen und Metaphern in philosophischen Affekttheorien. Seit 1997 ist er wissenschaftlicher Referent am Einstein Forum.
Ausgewählte neuere Publikationen: Ganz Anders. Philosophie zwischen akademischem Jargon und Alltagssprache (Hrsg. 2006); Zum Lachen! (Mit-Hrsg. 2009); Metapherngeschichten. Perspektiven einer Theorie der Unbegrifflichkeit (Mit-Hrsg. 2011); Wahre Lügen. Bergman inszeniert Bergman (Mit-Hrsg. 2012); Werner Herzog – An den Grenzen (Mit-Hrsg. 2015); Poetik und Hermeneutik im Rückblick (Mit-Hrsg. 2016); Future World. Science – Fiction – Film (Mit-Hrsg. 2017).