Ian Johnson: Die Seelen Chinas. Die Rückkehr der Religion nach Mao


Vortrag
Donnerstag, 13.12.2018, 19:00h

Ian Johnson

Journalist, Peking

Die Seelen Chinas

Die Rückkehr der Religion nach Mao

Gesprächsleitung: Dr. Kristin Shi-Kupfer, Berlin

Vor dem Tumult des 20. Jahrhunderts war die Bedeutung der Religion für die chinesische Zivilisation sehr hoch – so hoch, dass einigen Forschern das traditionelle China als „religiöser Staat“ gilt. Dieses System brach im frühen 20. Jahrhundert zusammen: Religion wurde nunmehr als Grund für Chinas Rückständigkeit und Schwäche angesehen. Noch bevor die Kommunisten im Jahr 1949 die Macht ergriffen, wurden Kultstätten zu Zielscheiben antireligiöser Kampagnen. Diese gipfelten schließlich in der kultischen Verehrung Maos.
Heute spielt die Religion – zum ersten Mal seit einem Jahrhundert – wieder eine zentrale Rolle in der chinesischen Gesellschaft. Dies war zunächst der Popularität religiöser Aktivitäten geschuldet. Das zunehmende Gefühl eines spirituellen Vakuums – der Eindruck, die Epoche der wirtschaftlichen Reformen habe keine Werte außer dem Kommerz anzubieten – ließ neue Kirchen, Tempel und Moscheen emporschießen.
Doch besonders seit der Machtübernahme durch Xi Jinping im Jahr 2012 hat die Religion auch für die Politik an Bedeutung gewonnen. Die Regierung unterstützt inzwischen bestimmte Glaubensrichtungen, vor allem die traditionellen Religionen Buddhismus und Taoismus sowie den Volksglauben, während sie Christentum und Islam skeptischer gegenübersteht. Das Ergebnis ist eine stärker politisierte Religionslandschaft mit dem Potenzial für Konflikte zwischen den Gemeinden.

Ian Johnson lebt in Berlin sowie seit über 20 Jahren in China und schreibt für eine Reihe von Publikationen, darunter The New York Review of Books und die New York Times. Seine Veröffentlichungen zu China wurden mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet. Er ist Autor dreier Bücher zu Zivilgesellschaft und Religion, zuletzt The Souls of China: The Return of Religion After Mao (2017).

Kristin Shi-Kupfer leitet den Forschungsbereich Politik, Gesellschaft und Medien am Mercator Institute for China Studies in Berlin.

Veranstaltung in deutscher Sprache.