Uschi Otten
“Die Krippen sind dieselben, nur die Ochsen haben gewechselt.” Bertolt Brecht, Buckow und der 17. Juni
“Die Krippen sind dieselben, nur die Ochsen haben gewechselt”, notiert Brechts Geliebte, die dänische Kommunistin und Schauspielerin Ruth Berlau, in ihrem Tagebuch bitter ihre Kritik an der Staatsführung der DDR. Auch Brecht erscheint ihr abgekämpft und frustriert von steten Auseinandersetzungen mit der Kulturbürokratie, die ihn zu Änderungen in seiner “Lukullus”-Aufführung zwang und die Aussicht auf ein eigenes Theater immer wieder vertagt. Im engsten Kreis seiner Mitarbeiter diskutiert er gar die Alternative des chinesischen Exils.
Während er noch im März beklagt, mit seinen Aufführungen in Berlin kaum ein Echo zu finden, verschieben sich durch die Ereignisse des 17. Juni die Kräfte: Dass Brecht zur Stunde des Arbeiteraufstands seine Verbundenheit mit der SED und seine unverbrüchliche Freundschaft mit der Sowjetunion in eiligen Briefen an Ulbricht, Grotewohl und den sowjetischen Botschafter bekundet, führt im Westen zu einem Boykott seiner Werke. In der DDR aber ist das Politbüro nunmehr um eine Klimaverbesserung gegenüber den Künstlern im Staate bemüht und erteilt Brecht die Zusage für das lang ersehnte Theater am Schiffbauerdamm. So kann der Unternehmer Brecht einen Zugewinn an Erfolg verzeichnen, der Dichter Brecht aber einen Zugewinn an Zweifel, denn “der 17. juni hat die ganze existenz verfremdet”.
Die Dramaturgin und Regisseurin Uschi Otten sucht in diesem Vortrag aus der Perspektive von Brechts Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und ihren Zeugnissen den Lebens- und Arbeitsumständen Brechts in den Monaten vor und nach dem Juni-Aufstand nachzuspüren.