Christian Breuer
„Und wo blicke können tödten …“. Der Malocchio als begehrlicher Augen/Blick
Was macht den Blick zum scheinbar paradigmatischen (Über-)Träger des Bösen, von Neid, Missgunst, Krankheiten und allerlei Übel? Warum ist der Blick so anfällig für alles Unheimliche und Verdrängte? Dies sind einige der Fragen, die in diesem Vortrag erörtert werden. Dabei wird sich zeigen, dass der Böse Blick kein bloßer Aberglaube ist. Vielmehr lassen sich die verschiedenen Blickphänomene auch jenseits eines magischen Denkens als Kulturtechnik beschreiben und damit innerhalb eines rationalen Diskurses verorten. Ausgangs- und Bezugspunkt ist das Konzept des Bösen Blicks, der im süditalienischen Kontext aus phänomenologischer und psychoanalytischer Perspektive untersucht und vor allem anhand literarischer Texte in Beziehung zu Blickphänomenen gesetzt wird, die grundsätzlich in einer Funktion des Begehrens stehen. Vor allem aber zeigt sich im Malocchio (ital. für Böser Blick) der Sinn des Blicks des Anderen, der einerseits für das Subjekt von grundlegender Bedeutung ist, denn ohne den Blick des Anderen könnten wir zu keinem vollständigen Bild unserer selbst kommen, andererseits unterliegt es als sub-jectum stets dem Blick des Anderen und wird von diesem in seinem (narzisstischen) Selbstbild bedroht: Diese Ambivalenz zeigt sich im Bösen Blick.
Christian Breuer begann seine Forschungen zum Bösen Blick bereits 1994 nach dem Studium der Theaterwissenschaft, Philosophie, Musikwissenschaft und Soziologie (Universität Wien) in Palermo und New York. 2014 promovierte er bei Thomas Macho am Institut für Kulturwissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin. Er lebt als freier Übersetzer (u.a. Benvenuto, Esposito, Fachinelli, Vattimo) und Musiker in Berlin.
Ein Vortrag im Rahmen der Tagung Ansichtssachen. Über das Sehen