Der nichtjüdische Jude. Isaac Deutschers Provokationen
1968 zum ersten Mal veröffentlicht, kommt Isaac Deutschers Essayband Der nichtjüdische Jude über jüdische Identität jenseits von Religion und Nationalbewusstsein geradezu prophetische Aktualität zu. Er formuliert darin klarsichtige Analysen zur Problematik »Wer ist Jude?«, zum Verhältnis von Linkssein und Herkunft, zu Antisemitismus und Zionismus, zur Rolle der Juden in der Sowjetunion und zum Nahost-Konflikt sowie zur Tragik Israels. Mit großer Empathie beschreibt Deutscher sowohl dessen Unmöglichkeit als jüdischer Nationalstaat als auch dessen Notwendigkeit als Schutzraum vor Judenhass. In einem Schtetl als Spross einer orthodoxen Familie aufgewachsen, schildert Deutscher voller Zuneigung, aber nie verklärend, die untergegangene ostjüdische Welt, deren Grenzen der nichtjüdische Jude überschritt, die aber doch ständiger Bezugspunkt für sein späteres universalistisches Engagement bleiben sollte: »Ich bin Jude kraft meiner unbedingten Solidarität mit den Verfolgten und Ausgerotteten.«
Isaac Deutscher, geboren 1907 in Westgalizien, war vor dem Zweiten Weltkrieg in der polnischen Arbeiterbewegung aktiv, brach aber mit dem Parteikommunismus und wurde nach dem Krieg zu einem der wichtigsten linken Intellektuellen englischer Sprache. Bekanntheit erlangte er durch seine Biografien von Trotzki und Stalin sowie durch seine politischen Interventionen. 1967 starb er in Rom.
Aus Anlass der Neuausgabe der Essaysammlung Der nichtjüdische Jude (Wagenbach, 2023) diskutieren Eva Menasse (Berlin), Susan Neiman (Potsdam) und Benjamin Zachariah (Braunschweig) über die außerordentliche Relevanz, die dieser Klassiker linken und jüdischen Denkens bis heute beanspruchen kann.
Programm
18 Uhr
Tilman Vogt (Berlin)
Begrüßung
18:15 Uhr
Benjamin Zachariah (Braunschweig)
Isaac Deutschers Welten
19:00 Uhr
Susan Neiman (Potsdam)
Deutscher in Deutschland: Aktueller denn je
Abschlussdiskussion
Eine Gemeinschaftsveranstaltung mit dem Moses Mendelssohn Zentrum, Potsdam