Markus Wild
Tierethik und Naturalismus
1970 prägte Richard D. Ryder in einem berühmten Flugblatt den Ausdruck „Speziesismus“. Die ersten Sätze formulieren augenfällig die naturalistische Grundlage zahlreicher moderner Tierethiken: „Since Darwin, scientists have agreed that there is no ‚magical‘ essential difference between human and other animals, biologically-speaking. Why, then, do we make an almost total distinction morally?” Diese naturalistische Grundlage ist sowohl für die theoretische Tierethik (z.B. Peter Singer) als auch für ethische Tierpolitik (z.B. die Basler Initiative „Grundrechte für Primaten“) wichtig. In meinem Beitrag möchte ich diese Grundlage zuerst klar ausformulieren. Anschließend möchte ich auf das Problem eingehen, dass wir aus darwinistischer Perspektive vermutlich keinen Anlass zur Hoffnung haben, dass sich unsere speziesistische Einstellung gegenüber Tieren radikal ändern wird. Abschließend will ich argumentieren, dass diese scheinbar pessimistische Einschätzung keinen Grund darstellt, in der Tierethik nur „realistisch“ zu sein und nicht weitgehende Forderungen zu stellen.
Markus Wild ist seit 2013 Professor für Theoretische Philosophie an der Universität Basel, Forschungsrat beim Schweizerischen Nationalfonds und Mitglied der Leitungsgruppe des Nationalen Forschungsprogramms 79 „Advancing 3R – Tiere, Forschung und Gesellschaft“. Zu seinen Forschungsgebieten gehören die Philosophie der Neuzeit, die Philosophie des Geistes und die Tierphilosophie. Ausgewählte Buchveröffentlichungen: Die anthropologische Differenz (2006), Tierphilosophie zur Einführung (2013) und Tierethik zur Einführung (mit Herwig Grimm, 2016). Als Herausgeber: Der Geist der Tiere (mit Dominik Perler, 2005), Animal Minds and Animal Ethics. Connecting Two Separate Fields (mit Klaus Petrus, 2013).