Henning Wellmann
„This is not a Love Song“ – (Nicht-)Thematisierungen der Liebe im Punk
Eine Auseinandersetzung mit Punk, wenn es um das Thema Liebeslieder und popkulturelle Inszenierungen der Liebe gehen soll, erscheint auf den ersten Blick nicht gerade selbsterklärend. Schließlich ist Punk eher bekannt für offen ausgelebte Aggression und Provokation, für Grenzüberschreitungen und raue, schnelle und wenig lieblich klingende Musik. Sucht man im Punk also nach Formen des Umgangs mit Liebe, sei es musikalisch, sprachlich oder auch ganz praktisch, sticht vor allem die Abwesenheit dieses Themas ins Auge. Ganz im Gegensatz zu vielen jugend- und popkulturellen Vorläufern und Zeitgenossinnen des Punk werden Liebe, Zärtlichkeit und Intimität, wenn auch nicht komplett verbannt, so doch zumindest in die Peripherie des ästhetischen und kulturellen Ausdrucks gedrängt. Nichtsdestoweniger, so meine These, gelingt es Punk, durch seine oft ironischen und sarkastischen bis offen feindseligen Bezugnahmen auf etablierte Formen (pop-)kultureller Auseinandersetzungen mit Liebe das stark heteronormativ organisierte Feld der Liebesbeziehungen und -bekundungen zumindest partiell und temporär aufzubrechen. Auch wenn Punk sich damit dem Thema Liebe meist auf dem Umweg der Kritik und Verachtung nähert, etabliert sich ein ganz eigener, zum Teil sehr ambivalenter Umgang mit Liebe in der Gefühlskultur des Punk. Diesen Umgang, und damit zusammenhängend generell die Gefühlskultur des Punk, näher zu beleuchten, wird Ziel meines Vortrags sein.
Den Soundtrack dazu liefern folgende Songs: The Slits – Love and Romance, PiL – This is not a Love Song und Hans-A-Plast – Lederhosentyp.
Henning Wellmann studierte Politik- und Kulturwissenschaften an der Universität Bremen und der University of Tampere in Finnland. Von 2010 bis 2014 war er Promotionsstipendiat am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung. Seine Arbeitsschwerpunkte sind unter anderem populäre Musikkulturen, sozialwissenschaftliche Emotionsforschung, Macht und Widerstand in zeithistorischen Kontexten. Zuletzt erschienen: „Aus den Boxen kommt pure Energie. Klänge als emotionale Transmissionsriemen in der Popkultur“, in: Anna Symanczyk, Daniela Wagner, Miriam Wendling (Hrsg.): Klang – Kontakte. Kommunikation, Konstruktion und Kultur von Klängen (2016).