Lecture
Tuesday, Dec 3, 2002, 7:00 PM
Otto-Braun-Saal der Staatsbibliothek zu Berlin, Berlin-Tiergarten, Potsdamer Straße 33

Roger Chartier, Valentin Gröbner

The Cultures of Cultural History

Gesprächsleitung: Prof. Dr. Peter Schöttler, Berlin und Paris

Roger Chartier
Directeur d’Études an der École des Hautes Études en Sciences Sociales, Paris;
Annenberg Visiting Professor an der University of Pennsylvania, Philadelphia

Valentin Gröbner
Privatdozent am Historischen Seminar der Universität Basel

Kultur ist ein eigentümlich vager Begriff. Kultur ist überall. Schon eher möchte man von Kulturen im Plural reden, aber verändert sich dann die Situation? Roger Chartier und Valentin Gröbner diskutieren die Vieldeutigkeit des Kulturbegriffs für ihre Arbeit als Historiker in all seinen verschiedenen Aspekten. Inwiefern trauen sich die Kulturhistoriker heute überhaupt noch von Kulturen allgemein oder von Mentalitäten zu sprechen? Im Kulturbegriff spiegeln sich natürlich auch immer die großen politischen Themen und Kämpfe einer Zeit: Welche Rolle spielen die Historiker für die Legitimierung bestimmter Kulturbegriffe?

Seit einiger Zeit macht sich eine neue Form des “Gebrauchs” der Geschichte bemerkbar. Ist an die Stelle der Suche nach dem Ursprung vielleicht heute ein Umgang mit der Geschichte getreten, der sie als Materialreservoir betrachtet – als einen Fundus, den man nach Bedarf rekombiniert und neu montiert, ein Amalgam von Fragmenten aus unterschiedlichen Zeitebenen? Spiegeln sich darin auch neue Berufspraxen? Was bedeutet das für die Orte der Kulturbewahrung: Museen, Bibliotheken und Archive? Haben hier neue Strategien der Vermarktung von Kultur unseren Blick auf ihre Artefakte geprägt, und welche neuen Probleme z.B. auch juristischer Art haben sich daraus ergeben?

Die Referenten

Roger Chartier
geboren 1945. 1970-1975 Assistenzprofessor an der Université Paris I und 1975-1983 an der Ecole des Hautes Etudes en Sciences Sociales; seit 1983 Directeur d’Etudes an der Ecole des Hautes Etudes en Sciences Sociales; seit 2001 Annenberg Visiting Professor an der University of Pennsylvania, Philadelphia. Zahlreiche Fellowships und Gastprofessuren, u.a. in Princeton, Montréal, Chicago, Berkeley, Cornell, Baltimore und Buenos Aires.
Ausgewählte Veröffentlichungen in Deutsch:
Die unvollendete Vergangenheit, Berlin 1989;
Lesewelten. Buch und Lektüre in der frühen Neuzeit, Frankfurt/Main 1990;
– (Hg. zus. m. Ph. Ariès); Geschichte des privaten Lebens III: Von der Renaissance zur Aufklärung, Frankfurt/Main 1994;
Die kulturellen Ursprünge der Französischen Revolution, Frankfurt/Main 1995;
– (Hg. zus. m. G. Cavallo) Die Welt des Lesens. Von der Schriftrolle zum Bildschirm, Frankfurt/Main 1999;
– (zus. m. Alfred Messerli) Lesen und Schreiben in Europa 1500-1900, Stuttgart 2000.

Valentin Gröbner
geboren 1962. Studium der Geschichte, Soziologie und Volkskunde in Wien, Marburg und Hamburg; 1991 Promotion in Bielefeld; 1998 Habilitation an der Universität Basel. 1991-1999 wissenschaftlicher Assistent am Historischen Seminar der Universität Basel; 1996/97 Fellow am Wissenschaftskolleg zu Berlin; 1999 Jean-Monnet-Fellow des Europäischen Hochschulinstituts in Florenz; 2000 Visiting Associate Professor am Department of History of Art der Harvard University; 2001/02 Lehrstuhlvertretung für Geschichte des Mittelalters an der Universität Luzern; z.Zt. Athena-Stipendiat des Schweizerischen Nationalfonds.
Veröffentlichungen u.a.:
Ökonomie ohne Haus. Zum Wirtschaften der Armen in Nürnberg am Ende des 15. Jahrhunderts, Göttingen 1993;
Gefährliche Geschenke. Korruption und politische Sprache am Oberrhein und in der Eidgenossenschaft am Beginn der Neuzeit, Konstanz 2000;
Ungestalt. Identifikation und die visuelle Kultur der Gewalt am Ende des Mittelalters, München 2002.

Eine Gemeinschaftsveranstaltung der Deutschen Forschungsgemeinschaft und des Einstein Forums in Zusammenarbeit mit der Staatsbibliothek zu Berlin