Yi Jiang
On the Wittgenstein Research in China
Special Lecture
Chinesische Philosophen haben eine recht weit zurückreichende, enge Beziehung zur analytischen Philosophie und zu Wittgenstein. Sie begann mit Bertrand Russells China-Aufenthalt 1920–1921. Russell hatte neben einigen Vorschlägen zur Lösung drängender chinesischer Probleme auch eine neue philosophische Methode im Gepäck. Wie Fung Yu-lan 1948 bemerkte, wurde seitdem die Logische Analyse zu einem wichtigen Instrument für die Weiterentwicklung der chinesischen Philosophie. Dennoch ist es recht überraschend, dass Wittgensteins Tractatus Logico-Philosophicus bereits 1927, nur sechs Jahre nach seiner Erstveröffentlichung, von Zhang Shen-fu übersetzt wurde. Erst zehn Jahre später, mit der Rückkehr Tscha Hungs, eines Schülers von Moritz Schlick, stießen die Lehren des Wiener Kreises und damit auch das Denken Wittgensteins auf breitere Resonanz. Seitdem hat sich Wittgenstein in den akademischen Kreisen des Landes allmählich etabliert.
In meinem Vortrag werde ich die Entwicklung der chinesischen Wittgenstein-Rezeption in drei Stadien unterteilen: eine Phase (1) der textuellen Aneignung (Lektüre); (2) der Kontextualisierung (Interpretation) und (3) der Inbezugsetzung zu eigenen Denkmotiven (Applikation).
Yi Jiang erwarb 1985 den Master of Philosophy an der Nankai University in Tianjin und wurde 1991 von der Graduate School of Chinese Academy of Social Sciences promoviert; 1985–1988 Lecturer, 1991–2002 Assistant and Associate Professor und 2002–2010 Professor am Institute of Philosophy der Chinese Academy of Social Sciences in Beijing; seit 2010 Professor für Philosophie an der Beijing Normal University. Gastaufenthalte: 1995–1996 Institute of Chinese Studies der Oxford University; 2002 Department of Philosophy, Harvard University; 2007 Faculty of Philosophy, Oxford University und 2014 Center for Cognitive Science, Rutgers University.
Wichtige Veröffentlichungen: Wittgenstein: A Post-modern Culture (1996, 1998, 2002); Wittgenstein (1999); Introduction to Tractatus Logico-Philosophicus (2002); als Herausgeber: Western Philosophy toward the New Century (1998); Contemporary Anglo-American Analytic Philosophy, 2 Vols. (2005); Course of Analytic Philosophy (2008); Mirror of Thought: From A Topological Point of View (2009); A History of Contemporary Western Philosophy (2009); als Herausgeber: Analytic Philosophy in China: 4 Vols. (2010–2013).