Sören Flachowsky
Nicht nur Saubermänner! Die Berliner Stadtreinigung im Nationalsozialismus
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Da menschliche Gesellschaften permanent Abfälle erzeugen und seit jeher bemüht sind, diese geordnet zu sammeln und aus den urbanen Ballungsgebieten zu schaffen, handelt es sich beim Thema Abfall und seiner Beseitigung zu jeder Zeit um ein hochaktuelles und brisantes Problem, das immer auch eng mit den jeweils vorherrschenden wirtschaftlichen, kulturellen und gesellschafts-politischen Kontexten zusammenhängt. Um 1900 galt Berlin als bevölkerungsreichste Stadt Mitteleuropas, was die Kommunalverwaltung vor große Probleme stellte, denn der tägliche Müllanfall in der Millionenmetropole belief sich auf ca. 2.000 Tonnen. Die dadurch hervorgerufenen besorgniserregenden Mängel bei der Stadtreinigung führten zu einer Schwerpunktverlagerung von der privaten zur öffentlichen Daseinsvorsorge, die mittels einer umfassenden Stadtassanierung für eine Verbesserung der urbanen Wohnverhältnisse sorgen sollte. Der damit einhergehende kontroverse Prozess der Kommunalisierung der Berliner Stadtreinigung markiert den ersten Teil des Vortrages. Im Mittelpunkt steht jedoch die Geschichte der Berliner Stadtreinigung (Müllabfuhr) unter den Bedingungen der NS-Diktatur. So geht es zu einen um die Entlassung und Vertreibung politisch ‚unerwünschter‘ Personen, die gezielte Einsetzung von Nationalsozialisten und um den Versuch, allgemeine Aussagen über die politische Disposition der Mitarbeiter der Berliner Stadtreinigung zu treffen. Zum anderen richtet sich der Blick auf die Einbindung der Müllabfuhr in die NS-Wirtschaftspolitik, zumal die Nationalsozialisten ‚den Müll‘ zu ‚wertvollem Volksgut‘ erhoben und zum Gegenstand autarkiewirtschaftlicher Planspiele machten. Gerade in diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage, in welchem Umfang die Stadtreinigung in das System des Zwangsarbeitereinsatzes eingebunden war.
Sören Flachowsky studierte Neuere und Neueste Geschichte sowie Bibliotheks- und Dokumentationswissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin und wurde 2005 mit einer Arbeit zur NS-Wissenschaftspolitik promoviert. Seit 2020 ist er Mitarbeiter am Interdisziplinären Zentrum für Wissenschafts- und Technikforschung (IZWT) der Universität Wuppertal. Seine Forschungsschwerpunkte liegen auf dem Gebiet der Wissenschafts-, Technik- und Wirtschaftsgeschichte. Gegenwärtig befasst er sich im Rahmen eines vom Bundeswirtschaftsministerium geförderten Projekts mit der Geschichte der geologischen Ressortforschung (Preußisch-Geologische Landesanstalt und Reichsamt für Bodenforschung) zwischen 1871/1914 und 1945.