Julia Eichenberg
Europa vor Ort – Diplomatie im Exil? Der Londoner Mikrokosmos während des Zweiten Weltkriegs
Julia Eichenberg veranschaulicht am Beispiel Londons im Zweiten Weltkrieg die Herausforderungen der modernen Diplomatie zu Krisenzeiten.
Im Laufe des Jahres 1940 kam Europa nach London. In Begleitung ihres engeren Umfelds suchten europäische Monarchen wie die Königin der Niederlande und die Könige von Norwegen, Jugoslawien und Griechenland Zuflucht auf der Britischen Insel, ebenso wie militärische und politische Anführer anderer Länder wie etwa die französischen und polnischen Generäle de Gaulle und Sikorski, der ehemalige tschechoslowakische Präsident Beneš und die belgischen und luxemburgischen Premierminister Pierlot und Dupong. Sie hatten den Krieg – vorerst – verloren, nun mussten sie die Flucht politisch überleben. Hauptanliegen aller war es, ihre Staaten weiterhin politisch zu vertreten und die Regierungsgeschäfte außerhalb der besetzten Territorien fortzuführen.
Die Exilregierungen bedienten sich zunächst vor allem der traditionellen diplomatischen Kanäle. Die geographische Nähe und die oftmals informellen Rahmenbedingungen eröffneten jedoch auch neue direktere Wege der Kommunikation und Zusammenarbeit untereinander und mit der britischen Krone und Regierung. Persönliche Kontakte und Netzwerke gewannen an Bedeutung. Informelle Treffen und Gesprächsrunden, aber auch fachliche Komitees und Arbeitsgruppen sicherten politischen Einfluss. Hatte die klassische Diplomatie angesichts dieser neuen Kommunikation ausgedient? Welche Rolle blieb für europäische Diplomaten und das Foreign Office? Eichenberg zeigt Krise und Chancen der Diplomatie in den Londoner Jahren auf.
Dr. Julia Eichenberg leitet als Freigeist-Fellow der Volkswagen-Stiftung das Forschungsprojekt „The London Moment. Transnational Collaboration of Governments-in-exile during the Second World War and its Impact on European History” am Institut für Geschichtswissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin. Ihr Interesse als Historikerin gilt insbesondere einer gesamteuropäischen Perspektive auf Krieg und (para)militärische Gewalt sowie deren Kontext und Folgen, aber auch den Bestrebungen Gewalt zu beenden, zu begrenzen, zu vermeiden. Sie ist u.a. die Autorin von Kämpfen für Frieden und Fürsorge. Polnische Veteranen des Ersten Weltkriegs und ihre internationalen Kontakte, 1918-1939 (2011) und Herausgeberin von The Great War and Veterans’ Internationalism (2013) und Aftershocks. Violence in Dissolving Empires after the First World War (JCEH, 19/3, 2010).