Eike Brock
Der Philosoph als Arzt der Seele. Überlegungen zur therapeutischen Dimension der Philosophie Stanley Cavells
Die thematische Bandbreite von Stanley Cavells Werk ist, wie schon oft festgestellt wurde, enorm. Eine Tendenz hält sich aber in Cavells Behandlung scheinbar noch so weit auseinanderliegender Themen durch; sie verschafft sich auch in seinen abstraktesten Ausführungen oder idiosynkratischen Abschweifungen noch Geltung. Die Rede ist von einer leidenschaftlichen Zuwendung zum Leben. Gerade vor dem Hintergrund dieses amor vitae nimmt Cavell nicht nur die schönen oder amüsanten Seiten des Lebens in philosophischen Augenschein, sondern wagt sich auch in die dunklen Bezirke des Lebens und der menschlichen Psyche vor. Im Zuge dessen stößt er auf die „Unheimlichkeit des Gewöhnlichen“ und versucht sich an einer philosophischen Rettung des – nicht zuletzt von der Philosophie selbst bedrohten bzw. unterdrückten – Alltäglichen. Indem Cavell den Motiven nachspürt, die Menschen dazu bewegen, mit dem Alltäglichen oder Gewöhnlichen ihre eigene Lebensgrundlage zu verleugnen, und indem er seine Version eines „moralischen Perfektionismus“ als affirmative Alternative zu solcher Verleugnung konzipiert, wird seine Philosophie zu einer Art Therapie. Im Vortrag wird es darum gehen, diese Therapie, die meines Erachtens vor allem auf die Entwicklung von ‚Endlichkeitskompetenz‘ zielt, in ihren Grundzügen vorzustellen.