Amnon Raz-Krakotzkin
Censorship and The Shaping of Modern Jewish Consciousness
Westliche Historiker haben dem jüdischen Publizieren und den jüdischen Lektüreformen im Europa des 16. und 17. Jahrhunderts bisher nur ungenügend Aufmerksamkeit geschenkt. Dabei waren die Zensoren und Verleger von Druckwerken mit jüdischer Thematik in den allermeisten Fällen Kirchenmänner, Christen bzw. Konvertiten. Aufgrund des Imprimaturzwangs für jüdische Religionsschriften waren die Verlagshäuser daher häufig inner- und interreligiöse Diskussionsforen mit großem Einfluss auf die Entwicklung des innerjüdischen Diskurses. Die Überwachung des Publikationswesens trug nicht nur repressive Züge; sie steuerte zugleich das Leseverhalten der jüdischen Gemeinden. Damit leistete sie einen wesentlichen Beitrag zur Schaffung eines jüdischen Kanons. Im Vortrag wird diese Ambivalenz der Zensur als Sollbruchstelle zwischen den christlich-jüdischer theologischer Polemiken der Vormoderne und der Definition des Judentums in Hinblick auf ‘Ethnizität’, ‘Religion’ und ‘Kultur’ – also jene Aspekte, die den modernen Diskurs bestimmt haben – vorgestellt.
Amnon Raz-Krakotzkin, geb. 1958 in Jerusalem, studierte frühmoderne und moderne jüdische Geschichte in Jerusalem und Tel Aviv und lehrt Judaistik an der Ben-Gurion University of the Negev, Beer-Sheva. Er war 2003/4 Fellow und 2006/07 Gast am Wissenschaftskolleg zu Berlin. Er arbeitet im Forschungsprogramm „Europa im Nahen Osten – Der Nahe Osten in Europa“ (EUME) mit. Er veröffentlichte zahlreiche Aufsätze zur Geschichte der jüdischen Kanonbildung; zuletzt erschien: The Censor, the Editor, and the Text. The Catholic Church and the Shaping of the Jewish Canon in the Sixteenth Century (2007).
Eine Gemeinschaftsveranstaltung mit dem Wissenschaftskolleg zu Berlin