Aaron Sahr
Zur Re-Politisierung des Geldes
Wir erleben derzeit eine Politisierung des Geldes. Die anhaltenden unkonventionellen Maßnahmen der Zentralbanken fordern eine Neuverhandlung ihrer institutionellen Rolle, auffällige neue Geldformen wie Bitcoin oder Facebooks Libra provozieren Reaktionen aus der Politik und neue Bewegungen betreten mit ungewohnten geldtheoretischen Argumenten die politische Bühne. Diese Politisierung ruft Abwehrreaktionen hervor, die nicht selten von einer Vorstellung von Geld als einer neutralen Sozialtechnologie geprägt sind. Diese Vorstellung stammt aus dem wirtschaftstheoretischen Mainstream. Hier wurde das Geld vornehmlich als Funktionsträger verstanden; als Tauschmittel, Wertspeicher und Preisberechnungseinheit musste es vor allem technischen Parametern genügen. Politik jenseits einer reinen Überwachung dieser Parameter war von vornherein verdächtig. Geld wurde in unserem politischen Diskurs damit de-politisiert. Insbesondere Geldschöpfung wurde dabei als gesellschaftlich relevante und streitbare Frage ausgeblendet, gerade sie steht aber im Zentrum jüngerer geldtheoretischer und geldpolitischer Debatten. Mit der Wiederentdeckung der Geldschöpfung als politischer Machtressource wird auf Fehlleistungen der gegenwärtigen Geldordnung reagiert. Unser Geldsystem ist nämlich keinesfalls politisch neutral, sondern es erzeugt Instabilitäten und Verteilungseffekte, die zum Wohle einiger weniger gesamtgesellschaftliche Wohlstandschancen verspielen. Verschiedene Reformvorschläge konkurrieren nun um die Neuordnung der Geldschöpfungsprivilegien. Auch sie müssen allerdings aufpassen, nicht selber wiederum einen technologisch verengten Begriff des Geldes in Anschlag zu bringen.
Vortrag im Rahmen des Workshops Geld machen. Zur Reform der Geldpolitik nach der Krise