Christian Kiening
Bergmans Mittelalter
Ingmar Bergman entwirft in DET SJUNDE INSEGLET (DAS SIEBENTE SIEGEL, 1956) und JUNGFRUKÄLLAN (DIE JUNGFRAUENQUELLE, 1959) keine farbenprächtigen mittelalterlichen Szenarien, sondern schwarzweiße Bilder von bestechender Prägnanz, oszillierend zwischen Tableau und Theater. Keine etablierten Narrative stehen im Hintergrund, sondern eigenständige Entwürfe, bezogen auf die spezifischen Gegebenheiten in Skandinavien: die Katastrophenzeit des späten Mittelalters mit der sich rasant ausbreitenden Pest, die Übergangszeit zwischen Heidentum und Christentum mit ihrer Mischung kultureller Logiken. Die Faszination gilt dabei den genuin filmischen Möglichkeiten, historische Epochen und mit ihnen ein Stück eigener (Vor-)Geschichte zu rekonstruieren. Sie gilt dem Spektrum der Haltungen und Verhaltensweisen sowie der Ästhetik des Films: Macht er vergangene Welten präsent? Oder repräsentiert er vor allem die Bedingungen, unter denen Vergangenheit präsent werden kann?
Christian Kiening ist Professor für Deutsche Literaturwissenschaft (von den Anfängen bis 1700) an der Universität Zürich. Ausgewählte Publikationen: Das andere Selbst. Figuren des Todes an der Schwelle zur Neuzeit (2003); Zwischen Körper und Schrift. Texte vor dem Zeitalter der Literatur (2003); Das wilde Subjekt. Kleine Poetik der Neuen Welt (2006); Mittelalter im Film (Hg., 2006); Unheilige Familien. Sinnmuster mittelalterlichen Erzählens (2009).