Vortrag
Mittwoch, 4.6.2014, 17:30h

Gesine Schwan

Integrität in der Politik

Der Wortsinn von Integrität – Unversehrtheit, ethisch: Übereinstimmung von Werten und Handeln – legt den Gedanken nahe, dass Integrität einfach wäre, hätte man es nicht mit der umgebenden Welt, mit anderen Menschen mit einem „Außen“ zu tun, das die Integrität durch Versehrung gefährdet. Damit wird ein egozentrischer Blick nahegelegt, eine „schöngeistige“ Konzentration auf das eigene Ich, das sich von den Gefährdungen der Welt fernhält. Interessant wird das Ziel der Integrität als Übereinstimmung von ethischen Überzeugungen und Handeln aber erst durch die Konfrontation mit Herausforderungen vor allem der Politik, die „Kompromisse“, „Konzessionen“ erfordern. „Reinheit“ der Werte ist hier nicht das oberste Gebot, sondern ihre praktische Umsetzung. Anders formuliert: Werte, die die Schwierigkeiten der politischen Praxis nicht bedenken, taugen nicht für die Bestimmung von Integrität, die sich in der „Welt“ bewähren muss. Am Beispiel der drei Maximen des Gemeinsinns aus Kants Kritik der Urteilskraft: „1.Selbstdenken. 2. An der Stelle jedes andern denken. 3. Jederzeit mit sich selbst einstimmig denken“, die eine der Grundlagen für vertrauenswürdiges Verhalten in Politik und Gesellschaft sind, wäre zu prüfen, welchen Schwierigkeiten ihre praktische Umsetzung ausgesetzt sein kann.

Gesine Schwan, studied Roman Languages, History, Philosophy and Political Science in Berlin and Freiburg/Breisgau. Extensive research stays in Warsaw and Krakow followed in preparation for her dissertation about the Polish philosopher Leszek Kolakowski. In 1971, Gesine Schwan was appointed Assistant Professor in the Department of Political Science at the Free University Berlin and in 1975 received her Habilitation there. In 1977, Gesine Schwan was named Professor of Political Science, in particular of Political Theory and Philosophy, at the Free University Berlin. Research stays in Washington D.C., Cambridge and New York followed. Her main fields of research are Political Philosophy and Theories of Democracy, recently also problems of Political Psychology and Political Culture. From October 1999 to October 2008 Gesine Schwan was president of the Europe University Viadrina in Frankfurt (Oder). She was one of the joint founders and since June 2010 also president of the Humboldt-Viadrina School of Governance. In 2004 and in 2008, she was nominated by SPD and Bündnis 90/Die Grünen as candidate for the office of the Federal President, but lost the election to the candidate of CDU/CSU and FDP. Her main publications include among many Die Gesellschaftskritik von Karl Marx. Philosophische und politökonomische Voraussetzungen (1974); Sozialismus in der Demokratie? Theorie einer konsequent sozialdemokratischen Politik (1982); Politik und Schuld. Die zerstörerische Macht des Schweigens (1997); Vertrauen und Politik. Politische Theorie im Zeitalter der Globalisierung (2006) and (together with Susanne Daschke) Allein ist nicht genug. Für eine neue Kultur der Gemeinsamkeit (2007).

Vortrag in deutscher Sprache