Vortrag
Freitag, 21.2.2025, 17:00h

Dhruv Raina

(Delhi)

“Other Knowledge Systems”
The Challenges for the University

[Andere Wissenssysteme‘. Herausforderungen für die Universität]

Das Gespenst der Dekolonisierung geht schon seit einiger Zeit an den Universitäten um, auch wenn seine Bedeutungen in den verschiedenen Regionen und nationalen Kontexten changieren. Die Dekolonisierung stellt sich selbst als eine homogene emanzipatorische Bewegung dar, die in ihrem Kampf für epistemische und kognitive Gerechtigkeit die Welt und die Wissensformen neu definieren und umstrukturieren will. Dabei versäumen ihre Vertreter es meist, den eigenen Standpunkt zu reflektieren und die eigenen Aussagen sozialwissenschaftlich oder politisch zu differenzieren. In diesem Beitrag werden die verschiedenen Bedeutungen der kognitiven Gerechtigkeit wissenschaftstheoretisch analysiert. Dies ist wichtig, denn die Universität, insbesondere die Natur- und Sozialwissenschaften sind heute großen Bedrohungen ausgesetzt. Die neoliberale Umstrukturierung der Universität privilegiert die staatlich verordnete und industriell relevante Forschung, was insbesondere die Sozialwissenschaften gefährdet. Darüber hinaus haben die Leugnung des Klimawandels und die Impfgegner-Kampagnen, die über die balkanisierten sozialen Medien orchestriert werden, eine wichtige Rolle dabei gespielt, die epistemische Autorität des akademisch produzierten Wissens in Frage zu stellen. Gleichzeitig wird die Dekolonialisierung trivialisiert oder von indigenistischen und populistischen Strömungen weltweit vereinnahmt. Mein Beitrag befasst sich mit einigen dieser Fragen aus der Perspektive der Wissenschaftsphilosophie.

Dhruv Raina war Professor an der Jawaharlal Nehru University, Neu-Delhi, wo er Wissenschaftsgeschichte und -philosophie lehrte. Er studierte Physik am Indian Institute of Technology, Bombay, und wurde an der Universität Göteborg promoviert. Er war in der wissenschaftlichen Volksbewegung aktiv und arbeitete am Nationalen Institut für Wissenschaft, Technologie und Entwicklungsstudien, forschte und publizierte gemeinsam mit S. Irfan Habib zur Geschichte der Wissenschaft in Indien. Er befasst sich mit der Verbreitung von Konzepten in den Sozialwissenschaften und der Entstehung inter- und transdisziplinärer Forschungsfelder. Diese Beschäftigung hat zu einer interdisziplinären Zusammenarbeit mit Mathematikern und Physikern geführt. Er war Gastprofessor am Maison des Sciences de l’Homme in Paris, Fellow des Wissenschaftskollegs in Berlin, erster Inhaber des Heinrich-Zimmer-Lehrstuhls für Geistesgeschichte und indische Philosophie an der Universität Heidelberg und Visiting Fellow an der ETH Zürich und an der Universität Cambridge. Er wurde 2018 zum Fellow der Indian National Science Academy gewählt, war 2017 D.D. Kosambi Gastprofessor an der Universität Goa, 2022–2023 Gastprofessor am Exzellenzcluster Afrika-Europa an der Universität Bayreuth. Er ist jetzt Adjunct Professor am Indian Institute for Science Education and Research, Pune.

Veranstaltung in englischer Sprache