Franziska Bomski
„Wie wir gelernt haben, still zu sein“. Kindheit im Schatten der DDR in Anne Rabes Roman
Die Möglichkeit von Glück
Anne Rabes autobiografisch grundierter Roman Die Möglichkeit von Glück (2023) erzählt vom Coming of Age in Ostdeutschland während der „Baseballschlägerjahre“ der Wende- und Nachwendezeit und während der „Nullerjahre“. Im Unterschied zu vielen anderen Post-DDR-Romanen richtet Rabe dabei das Augenmerk verstärkt auf die Kindheit ihrer 1986 geborenen Ich-Erzählerin Stine Bahrlow, die diese als bedrückende Alltagsnormalität einer autoritären und körperlich wie psychisch brutalen Zurichtung beschreibt. Zur Aufklärung transgenerationeller Traumata und zur Rettung ihres Selbst imaginiert Stine anhand von Erinnerungen, Gesprächen und spärlich überlieferten Akten ihre Familiengeschichte über vier Generationen und drei politische Systeme hinweg. Im Schutz des ambivalent-offenen und bewusst subjektiven literarischen Erzählens kann sie das familiär wie politisch forcierte Beschweigen und Verdrängen der gewaltgeprägten ostdeutschen Vergangenheiten durchbrechen, um so ihren eigenen Kindern die Möglichkeit von Glück zu eröffnen.
Franziska Bomski ist wissenschaftliche Mitarbeiterin des Einstein Forums. Nach dem Studium der Mathematik und der Neueren Deutschen Literaturgeschichte wurde sie 2011 an der Universität Freiburg mit einer Arbeit zur Mathematik bei Novalis promoviert. Ihre aktuellen Forschungs-interessen liegen im Bereich der Fachgeschichte der Germanistik und der Post-DDR-Literatur. Aufsätze hat sie u.a. zu Christa Wolf und Manja Präkels veröffentlicht, zuletzt hat sie den Sammelband Inventur. Der Personalumbau in den ostdeutschen Wissenschaften nach 1989 (2024) herausgegeben.