Krijn Thijs
Gelungener Neuaufbau bei gescheiterter Abwicklung? Das Beispiel der SBK Geschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin (1990–1992)
Nach dem umstrittenen Beschluss des Berliner Senats, der im Dezember 1990 die »Abwicklung« von fünf Fachbereichen an der Humboldt-Universität ankündigte, wurden ost-westdeutsch besetzte Struktur- und Berufungskommissionen eingesetzt, um mit Sondervollmachten neue Fachbereiche aufzubauen. Der Vortrag fragt am Beispiel der Struktur- und Berufungskommission (SBK) Geschichte, die unter Leitung von Gerhard Ritter (München) stand, wie diese Kommissionen arbeiteten und zeigt dabei auf breiter Quellenbasis, wie sie zu Laboren einer bestimmten Form von deutsch-deutscher Wissenschaftsvereinigung wurden. Mit welchen Zielen und Hoffnungen ging die »Ritter-Kommission« Anfang 1991 an die Arbeit? Mit welchen Mitgliedern wurde sie besetzt? Wie operierte die SBK zwischen den ost-westdeutschen Akademikerwelten? Und mit welchen Strategien und Praktiken traten ihr die alten Humboldtianer entgegen? An der SBK Geschichte kann beispielhaft gezeigt werden, wie sich hehre Ideale von internationaler Exzellenz bei gleichzeitiger ost-westdeutscher Integration nach einigen Monaten an den Untiefen des Diktaturerbes abrieben, auch – aber nicht nur –, weil die Abwicklung vor Gericht scheiterte, was viele Konflikte nährte und allseits als »heikel« verstandene Individualkündigungen notwendig machte. Der Vortrag schließt mit einer kurzen Diskussion der möglichen Kriterien, um die Arbeit und Ergebnisse der SBK historisch zu bewerten.
Krijn Thijs ist Historiker und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Duitsland Instituut Amsterdam. Er lehrt an der Universität von Amsterdam und publiziert u.a. über die Stadtgeschichte Berlins, über deutsche und niederländische Zeitgeschichte und über den Umbau der ostdeutschen Historiographie nach 1989.