Desiring Victimhood: German Self-Formation and the Figure of the Jew
Discussion: Volkhard Knigge, Hannah Tzuberi
Hannah Tzuberi
Desiring Victimhood: German Self-Formation and the Figure of the Jew
Wie wurde der Status des Opfers im zeitgenössischen Umgang mit transhistorischer Gerechtigkeit und Erinnerungspolitik zu einer begehrten Ressource? Die Zuerkennung des Opferstatus wurde im Deutschland nach 1989 primär mit der Figur des Juden und der Jüdin assoziiert. Später wurde er zentral für das demokratische, kollektive Selbstbild: Das „neue Deutschland“ etablierte sich, mit Juden und Jüdinnen als zentrale Opfer, durch seine (post)nationale Institutionalisierung der Holocaust-Erinnerung als vollständig souveränes und stabiles Mitglied im Bund der zivilisierten Nationen. Welche politischen und epistemologischen Prämissen und Machtverhältnisse schafft ein Gerechtigkeitsverständnis, das die Anerkennung einer Opferrolle voraussetzt? Wenn diese Opferfigur zentral ist, wie wirken sich die Prozesse postgenozidaler Nationenbildung auf das ständige Definieren und Problematisieren von Subjekten und Lebensformen aus, die sich gegen die Opferrolle stellen?
Hannah Tzuberi studierte Judaistik und Islamwissenschaft an der Freien Universität Berlin und war wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Jüdische Studien der Freien Universität Berlin. Ihre Forschungsinteressen umfassen das zeitgenössische europäische Judentum, Nationsbildung, kollektives Gedächtnis, Religion und Säkularismus. Sie ist die Mitherausgeberin von Jewish Friends: Contemporary Figures of the Jew (2020), das sich der zeitgenössischen Figur des Juden widmet.