Bruno Latour
The Promises of Constructivism
Die Zeiten haben sich verändert: Um nicht als gefährlicher Aussenseiter zu gelten, muss man heute, so scheint es, dem Konstruktivismus abschwören und einen Treueid auf den “Realismus” leisten. Im Vortrag soll ein Rettungsversuch des Konstruktivismus unternommen werden. Legt man die verborgenen Versprechen des Konstruktivismus frei – Versprechen erkenntnistheoretischer, politischer und sogar religiöser Natur –, dann wird deutlich, dass er wahrscheinlich das einzig wirksame Mittel gegen einen bedrohlichen Fundamentalismus ist: Verhandlungen über eine gedeihliche Kooperation in einer gemeinsamen Welt sind unter Konstruktivisten sehr wohl möglich, werden aber grundsätzlich scheitern, sobald Fundamentalisten am Verhandlungstisch auftauchen. Denn nicht nur die Religion ist der Ort für Bigotterie – auch die Natur, die Märkte oder die “Dekonstruktion” können sie auslösen. Zwischen Krieg und Frieden steht daher eine realistische Definition dessen, was eine Konstruktion ist.
Bruno Latour gilt als einer der bedeutendsten Wissenschaftssoziologen der Gegenwart. Zu seinen wichtigsten Publikationen in dt. Sprache zählen: Wir sind nie modern gewesen. Versuch einer symmetrischen Anthropologie (1995/1998); Der Berliner Schlüssel. Erkundungen eines Liebhabers der Wissenschaften (1996); Die Hoffnung der Pandora. Untersuchungen zur Wirklichkeit der Wissenschaft (2000); Das Parlament der Dinge. Für eine politische Ökologie (2001); Iconoclash. Gibt es eine Welt jenseits des Bilderkrieges? (2002).