Karl Schlögel
Herodot in Moskau. Überlegungen zu einer räumlich interessierten Historik
Historiker sind Detektive. Sie suchen nach Fundstellen, die ihnen Vergangenes näherbringen. Dabei dechiffrieren sie nicht nur Texte im engeren Sinne, sondern auch Begräbnisplätze und Müllhalden. Als kulturgeschichtlich aufgeklärte und sozialwissenschaftlich informierte Spurenleser bewegen sich Historiker dabei in “Zeiträumen”. Wer diesen Begriff ernst nimmt, rückt die räumliche Dimension geschichtlichen Handelns und Geschehens in das Zentrum der historischen Forschung.
Daher sind Orte und Räume unverzichtbare Bezugsgrößen, wenn es um die konkrete Erforschung und Darstellung geschichtlicher Zusammenhänge geht, etwa um den Stadtraum als Kristallisationspunkt und Schauplatz historischen Geschehens. Gegenüber dem Nacheinander der textuellen Darstellung bietet die Gleichzeitigkeit des topologisch-kartographischen Verfahrens die Chance, dem forschenden Blick eine nicht-reduzierte Komplexität zu bewahren.