Alberto Manguel
Denn alles Fleisch, es ist wie Gras
Sanssouci und der Leser als Garten
Im achtzehnten Jahrhundert betrachtete man in England die Natur als einen Garten; das königliche Frankreich (und in ehrfürchtiger Nachahmung auch Preußen) setzte dem die Vorstellung entgegen, die Natur sei ein Buch.
Dem Garten, Ausdruck der Natur, wurde folglich eine Grammatik, eine Syntax verliehen: Er wurde zu Paragraphen gestutzt, Kommata und Punkte wurden ausgesät, Metaphern aus Bronze und Allegorien aus Marmor kamen hinzu. So entsprang schließlich ein Erzählfluss: Der Besucher konnte einer Handlung folgen, die einen markierten Anfang nahm und zu einem befriedigenden Ende hinführte.
Der Park von Sanssouci, unter Friedrich dem Großen von einer königlichen Plantage zu einer barocken Landschaft verwandelt, ist das wunderbare Beispiel für einen solchen Garten: Er lädt ein, wie ein aufgeschlagenes Buch gelesen zu werden.
Alberto Manguel, geboren 1948 in Buenos Aires, erfuhr seine erste Berührung mit Literatur durch sein Kindermädchen, das ihm auf Deutsch vorlas. Später war er selbst Vorleser für den erblindeten Borges. In Buenos Aires, Paris, London, Mailand und Toronto arbeitete Manguel als Verlagslektor und Literaturdozent. Er übersetzte zahlreiche Bücher und ist Herausgeber von Anthologien und Kurzgeschichten. Auf Deutsch liegen u.a. vor: Von Atlantis bis Utopia. Ein Führer zu den imaginären Schauplätzen der Weltliteratur (1984 / Hrsg.), Eine Geschichte des Lesens (1998); Bilder lesen (2001) und jüngst Stevenson unter Palmen. Eine Erzählung (2003). Für Eine Geschichte des Lesens wurde Alberto Manguel mit dem Prix Medicis ausgezeichnet.
Eine Gemeinschaftsveranstaltung mit der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg