Andrea Albrecht
Interdilettantismus. Zum Ethos wissenschaftlicher Grenzgänge
Interdisziplinarität gilt den einen heute als wissenschaftsideologische Leerformel, den anderen als Leitbild, wenn nicht Garant innovativer Forschung. Auch Literaturwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler sind seit Langem und aus guten Gründen mit theorie-, methoden- und gegenstandsbasierten Anforderungen der Grenzüberschreitung konfrontiert – neuerdings vor allem durch die Digital Humanities, die einerseits Enthusiasmus, andererseits Gefühle der Überforderung auslösen. Mit dem portmanteau-Ausdruck Interdilettantismus wird der Blick auf das Wissenschaftsethos interdisziplinärer Arbeit gelenkt und damit auf Normen und Normverletzungen, die bereits im späten 19. Jahrhundert und frühen 20. Jahrhundert intensiv diskutiert wurden. Gegenwärtig wird diesen Aspekten vor allem aus wissenschaftspolitischer Perspektive zu wenig Aufmerksamkeit entgegengebracht.
Andrea Albrecht studierte Mathematik, Germanistik und Philosophie. Seit 2017 ist sie Professorin für Neuere deutsche Literatur mit dem Schwerpunkt Moderne an der Universität Heidelberg. Als Leiterin einer Emmy Noether-Nachwuchsgruppe wurde sie 2011 in Freiburg mit einer Studie zum Verhältnis von exakter Wissenschaft, Literatur und Kunsttheorie habilitiert. Ihr aktuelles, von der DFG gefördertes Forschungsprojekt widmet sich den internationalen akademischen Beziehungen Deutschlands in der NS-Zeit. Sie ist Mitherausgeberin der wissenschaftlichen Jahrbücher Scientia Poetica und Athenäum.